Der politische Neuanfang in Deutschland nach 1945 ist gekennzeichnet durch einen tiefgreifenden Transformationsprozess: Eine ganze Nation musste „entnazifiziert“, die Bevölkerung auf ihre nationalsozialistische Vergangenheit hin überprüft werden. Wer galt nach damaliger Vorstellung als belastet, als entlastet oder als Mitläufer? Und welche Konsequenzen hatten diese Zuschreibungen für den Einzelnen? In der Vortragsreihe werden vier jüngst erschienene Studien vorgestellt, die den Diskurs zum Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit in der frühen Nachkriegszeit beleuchten. Dabei werden die Möglichkeiten und Grenzen für die Integration auch von „Belasteten“ in den Aufbau eines demokratischen Systems ausgelotet.
Eröffnet wird die Vortragsreihe am 2. Februar 2023 von der Präsidentin des Hessischen Landtages Astrid Wallmann und dem anschließenden Vortrag von Dr. Thorsten Holzhauser, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus in Stuttgart. In seiner Studie „Demokratie, Nation, Belastung“ analysiert er vergleichend den Umgang mit Kollaboration und NS-Belastung in Frankreich, Österreich und Westdeutschland.
Darauf folgt am 23. Februar die Vorstellung von zwei Dissertationen zum demokratischen Neuanfang in Hessen: Prof. Dr. Andreas Hedwig, Präsident des Hessischen Landesarchivs, erörtert die zentralen Thesen der Publikation „Nationalsozialistische Vergangenheit im Parlament. Der Umgang mit Belastung und Entlastung in der hessischen Landespolitik (1945–1966)“ von Dr. Wolfgang Helsper. Daran anschließend präsentiert Dr. Sabine Schneider, Archivarin am Landeshauptarchiv Koblenz, ihre Studie „Belastete Demokraten. Hessische Landtagsabgeordnete der Nachkriegszeit zwischen Nationalsozialismus und Liberalisierung“. Sie zeigt anhand der Biografie ausgewählter hessischer Politiker auf, wie unterschiedlich sich die nationalsozialistische Vergangenheit auf die Vita Einzelner auswirken konnte.
Zum Abschluss der Vortragsreihe, am 30. März 2023, stellt Dr. Hanne Leßau, Kuratorin am NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln, ihre Publikation „Entnazifizierungsgeschichten. Die Auseinandersetzung mit der eigenen NS-Vergangenheit in der frühen Nachkriegszeit“ vor. Im Fokus dieser Arbeit stehen die individuellen Vergangenheitsdeutungen, die sich im Zuge der Entnazifizierung ausbildeten und die das Leben der Deutschen nachhaltig prägten.
Im Anschluss an die Vorträge sind Sie herzlich zum Austausch mit den Teilnehmenden eingeladen.
Die Veranstaltung findet unter dem Vorbehalt des weiteren Verlaufs der Corona-Pandemie statt. Es gelten die zum Zeitpunkt der Veranstaltung aktuellen Corona-Schutzmaßnahmen.
Termine
2. Februar 2023 I 18 Uhr
Grußwort Astrid Wallmann, Präsidentin des Hessischen Landtages
Dr. Thorsten Holzhauser: Demokratie, Nation, Belastung. Kollaboration und NS-Belastung als Nachkriegsdiskurs in Frankreich, Österreich und Westdeutschland