Nachlass von Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Rettberg
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Dem Hessischen Staatsarchiv Marburg wurde 1924 der Dokumentennachlass des Marburger Theologieprofessors Dr. Friedrich Wilhelm Rettberg (geb. 21. August 1805 in Zelle; gest. 7. April 1849 in Marburg) überlassen, der jetzt auch in Arcinsys als Best. 340 Rettberg erschlossen wurde.
Trotz seiner geringen Größe von 0,58 MM (32 Nummern) ist dieser Bestand inhaltlich vielfältig. Denn darunter befinden sich Korrespondenzen Rettbergs mit Professoren und Studenten im In- und Ausland. Der größte Teil der Korrespondenzen umfassen aber die privaten Schreiben zwischen Rettberg und seiner Ehefrau Emilie (geb. Gieseler) sowie Briefe der Kinder und der Familie Gieseler an die Familie Rettberg.
Die Jugendzeit Rettbergs ist nur schwach überliefert. Nur vereinzelte Dokumente wie Schulhefte (wegen Moderschaden gesperrt) und ein Schulzeugnis aus seiner Schulzeit sind vorhanden. Ab der Studienzeit Rettbergs aber ist sein Leben gut dokumentiert. Er studierte an den Universitäten in Göttingen und Berlin. Neben einzelnen Urkunden zu seinem Studium befindet sich in dem Dokumentennachlass auch eine Preisarbeit über die Gleichnisse Jesu. Von seinen Lehrtätigkeiten sind Aufzeichnungen zu seinen gehaltenen Vorlesungen und auch ein vollständiges Verzeichnis der Studenten überliefert, die an seinen Vorlesungen in den Jahren 1834 bis 1847 teilgenommen haben. Außer seinen Aufzeichnungen der Kirchengeschichte vom 12. und 13. Jahrhundert sind auch die Vorarbeiten zur Veröffentlichung der „Kirchengeschichte Deutschlands, Band 1 und 2“, die noch heute verlegt wird, überliefert.

Wie in anderen Nachlässen sind auch in diesem relativ kleinen Nachlass Besonderheiten vorzufinden. So wurden zum Beispiel abgeschnittene Haare von Emilie Gieseler aufbewahrt. Erwähnenswert sind Unterlagen des Repetentenkollegiums, worin eine humoristische Dienstvereinbarung des Kollegiumshundes („Köters“) Känzel zu finden ist. Darin wird er auf die Treue zu seinem Kollegium und sein Verhalten gegenüber den Kollegen und den Kollegialdamen verpflichtet sowie darauf, während der Sitzungen die Kollegen nicht anzubellen und seine Aufgaben ohne Knurren zu verrichten. Seine jährliche Besoldung für diese Position betrug eine gebratene Wurst bei der jährlichen Stiftungsfeier (§ 4).

Wegen seiner ausgebliebenen Besoldung musste Känzel 1845 eine Klage einreichen und bekam in dem anschließenden Urteil auch Recht, weshalb er innerhalb von acht Tagen seine ihm zustehende gebratene Wurst erhalten musste. In welchem Zusammenhang diese Dienstvereinbarung entstanden ist, ist nicht überliefert. Als weitere Besonderheit ist uns mit diesem Nachlass eine umfangreiche Anzahl an Notenblättern teilweise mit Illustrationen von verschiedensten Komponisten für Klavier überliefert worden.
Trotz der geringen Größe gibt der Bestand einen guten Einblick in das private und dienstliche Leben und Handeln eines Professors im Marburg in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Eva Bender und Sabrina Voss, Staatsarchiv Marburg