Schematische Darstellung der Arbeitsgänge im Rechenzentrum des Landeskulturamtes Wiesbaden bei der Flurbereinigung, 1952 (HStAD, R 2, 649)

Automation in der Flurbereinigung

Prozessabläufe und Automation sind zwei Begriffe, die bei den dafür Zuständigen häufig Begeisterung auslösen, bei den davon Betroffenen oftmals jedoch für ein Schaudern sorgen. Die zugehörigen Akten gehören nicht gerade zum beliebtesten Archivgut des Hessischen Landesarchivs.

Auch das als „Schematische Darstellung der Arbeitsgänge im Rechenzentrum des Landeskulturamtes Wiesbaden bei der Flurbereinigung“ verzeichnete Plakat des Hessischen Ministers für Landwirtschaft und Forsten aus den späten 1950er Jahre klingt nicht nach spektakulärer Überlieferung (HStAD, R 2, 649Öffnet sich in einem neuen Fenster). Bei näherem Hinblick erweist es sich jedoch als ein interessantes Dokument der Geschichte der elektronischen Datenverarbeitung.

Das 43 x 58,1 cm große Plakat zeigt nicht nur die ziemlich komplexen Arbeitsprozesse, sondern auch die dafür eingesetzten Geräte. Was heutzutage angesichts der Rechenleistung von privaten (Mobil-)Geräten geradezu antiquiert wirkt, war damals fortschrittlich und – aufgrund der immensen Kosten und der notwendigen Infrastruktur – nur staatlichen Stellen vorbehalten. Insbesondere Behörden und Einrichtungen, die gleichförmig strukturierte Daten in Massen bearbeiten mussten, wie die Kataster- und Liegenschaftsverwaltung oder das Statistische Bundesamt, hatten das zukunftsweisende Potential der elektronischen Datenverarbeitung erkannt und setzten buchstäblich alles ein, um die Daten schneller erfassen und bearbeiten und vielfältiger nutzen zu können.

Grundlage der damaligen Datenverarbeitung waren Lochkarten bzw. Lochstreifen. Die „Speicherung“ der Daten erfolgte mittels Ausstanzen von runden oder rechteckigen Löchern in einem vordefinierten Code. Für das Auslesen der gespeicherten Daten benötigte man entsprechende Maschinen, die auf den jeweils verwendeten Karten-Code ausgerichtet waren. Das Verfahren wurde in den späten 1880er Jahren von dem Amerikaner Herman Hollerith perfektioniert und bei verschiedenen Großprojekten wie Volkzählungen erstmals eingesetzt. Die Entwicklung von Großrechenanlagen nach Ende des 2. Weltkriegs sorgte für eine erhebliche Ausweitung des Einsatzes von Lochkarten.

Plakat "Automation in der Flurbereinigung" mit Darstellung eines Fernschreibers, der Rechenanlage Z22 und anderer Zuse-Rechner (HStAD, R 2, 649)

Wie das Plakat zeigt, wurden von den Kulturämtern verschiedene Arten von Unterlagen eingereicht. Abhängig von der Unterlagenart schlossen sich verschiedene Prozesse an, die an unterschiedlichen Rechengeräten weiterverarbeitet wurden.

Die eingegangenen Unterlagen wurden mit Hilfe eines Fernschreibers „eingetastet“, wie es auf dem Plakat heißt. Bei dem abgebildeten Fernschreiber handelt es sich vermutlich um das Modell T 68 a der Firma Siemens. Trotz des etwas altertümlichen Aussehens war das Modell noch zeitgemäß – es wurde 1951 erstmals produziert. Ein Exemplar eines solchen Fernschreibers befindet sich im Industriemuseum Elmshorn (siehe https://www.industriemuseum-elmshorn.de/objekt-des-monats-mai-2016/Öffnet sich in einem neuen Fenster ).

Herzstück des Rechenzentrums war die „Programmgesteuerte elektronische Rechenanlage“ Z 22, ein speicher-programmierter Röhrenrechner der Zuse KG, der universell eingesetzt werden konnte. Der Neupreis lag zwischen 150 000 und 230 000 DM, eine damals immense Summe. Angesteuert wurde die Z 22 mittels Lochstreifen; die Ausgabe erfolgte wiederum an einen Fernschreiber.

Unterstützt wurde die Z 22 durch den „Bandgesteuerten Relais-Rechenautomaten“ Z 11, der für die Flurbereinigung entwickelt worden war. Mit ihm wurden laut Plakat die Koordinaten der polar bestimmten Punkte und der Polygonpunkte berechnet. Ebenfalls von der Zuse KG stammte Z 60, ein „Automatisches Kartiergerät mit elektronischer Steuerung“. Es konnte elektronisch aufgenommene Kartenpunkte weiterverarbeiten. Programmgesteuert war das Planimeter Z 80 „mit elektronischem Zählwerk und automatischer Lochung der Fläche“.

Plakat "Automation in der Flurbereinigung": Verschiedene Geräte der Firma IBM zur Bearbeitung von Lochkarten (HStAD, R 2, 649)

Doch nicht nur Zuse-Rechner, sondern auch Geräte der Firma IBM kamen zum Einsatz. Anders als die Zuse-Rechner wurden sie für die maschinelle Bearbeitung der Lochkarten benötigt. Die Erstellung der Lochkarten, also gewissermaßen die Datenspeicherung, erfolgte mit einem "Streifengesteuerten Kartenlocher" (IBM 143), einem "Kartenlocher" (IBM 056) oder dem "Elektronischen Rechenstanzer" (IBM 604). Zur Prüfung wurde der IBM 026 "Lochprüfer" eingesetzt. Für die richtige Reihenfolge der Lochkarten sorgten der IBM 077 "Kartenmischer" und die "Elektronische Sortiermaschine" (IBM 082). Für die Auswertung der Liegenschaftskartei, deren Daten nicht in die Z 22 eingespeist wurden, kam eine „klassische“ Tabelliermaschine zum Einsatz (IBM 421).

Dass für die Be- und Weiterverarbeitung der Lochkarten Maschinen der amerikanischen Firma IBM zum Einsatz kamen, mag zunächst verwundern, ist aber leicht erklärlich: Die Firma war Marktführerin in der Lochkartentechnik, war sie doch aus der Tabulating Machine Company des Lochkarten-Erfinders Hollerith und zweier anderer Firmen hervorgegangen.

Historisches Foto: Mitarbeiterinnen des Statistischen Bundesamts bei der Bearbeitung von Lochkarten (HHStAW, 3008/2, 12247)

Für die komplexen Aufgaben des Landeskulturamts wurden zwölf verschiedene Geräte benötigt, darunter vier unterschiedliche Rechner der Zuse KG. Was die Beschäftigten über die „Automation“ gedacht haben, ist unbekannt. Zumindest schaffte sie Arbeitsplätze: Für die Bedienung und Wartung der Geräte war eine große Anzahl von Personal erforderlich, wie historische Fotos aus dem Statistischen Bundesamt eindrucksvoll belegen. Insbesondere das „Eintasten“ der Daten via Fernschreiber und die Bearbeitung und Pflege der Lochkarten wurde überwiegend von Frauen durchgeführt; an den Tabelliermaschinen und bei der Gerätewartung arbeiteten fast ausschließlich Männer. Die einzelnen Arbeitsaufgaben selbst waren sehr kleinteilig, monoton und erinnern stark an Fließband-Arbeit. Für heutige Personen völlig ungewohnt ist das Design der Geräte: Kein einziges hatte einen Monitor oder ein „Display“, die Bedienung erfolgte ausschließlich über Tasten, Knöpfe und Wählscheiben.

Historisches Foto: Mitarbeiter des Statistischen Bundesamts an IBM-Tabelliermaschinen (HHStAW, 3008/2, 12264)

Schon Mitte der 1960er Jahre wurden die Lochkarten allmählich von Magnetbändern abgelöst, so dass ein Großteil der auf dem Plakat abgebildeten Geräte nicht mehr benötigt wurden und inzwischen weitgehend in Vergessenheit geraten sind. Auch die Zuse-Rechner haben längst einen Platz im Museum gefunden. Ihr Einsatz bleibt im Archivgut für die Nachwelt dokumentiert.

Dorothee A.E. Sattler, Hessisches Landesarchiv

Lesetipp

Eduard Lang: Der Einsatz der Automation in der Flurbereinigung. Hiltrup 1972 (Schriftenreihe für Flurbereinigung, hrsg. vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Heft 60).

Der Autor war von 1956 bis 1970 technisch-planerischer Referent der Abteilung Flurbereinigung im Hessischen Ministerium für Landwirtschaft und Forsten und beschreibt aus praktischer Sicht den Einsatz der auf dem Plakat gezeigten Geräte, die Arbeitsprozesse und etwaige zukünftige Entwicklungen. Somit ist das Buch selbst schon ein Zeitdokument der Geschichte der elektronischen Datenverarbeitung.