Der deutsche Schriftsteller Friedrich Melchior Baron von Grimm (1723–1807) stand von 1765 bis 1774 in regelmäßigem Briefkontakt zu Landgräfin Karoline von Hessen-Darmstadt (1721–1774). Er tauschte sich mit ihr über Prinzenerziehung, Kultur, das aufgeklärte Europa und höfische Klatschgeschichten aus. Am 8. Dezember 1766 teilte er der Landgräfin aus Paris mit: „Je ne connais la feuille périodique qui se fait sous les auspices du Prince Louis de Wurtemberg que parcequ’elle a parlé fort au long du petit Mozart et qu’un de mes amis qui sait combien je m’intéresse à cet enfand, me l’a envoyée.“ – In deutscher Übersetzung etwa: „Die Zeitschrift, die unter der Schirmherrschaft des Prinzen Ludwig von Württemberg herausgegeben wird, kenne ich nur, weil sie von dem kleinen Mozart lautstark und ausführlich berichtete und einer meiner Freunde, der weiß, wie sehr ich mich für dieses Kind interessiere, mir sie geschickt hat.“ ( HStAD, D 4, 562/4Öffnet sich in einem neuen Fenster, fol. 34).
Der damals siebenjährige Mozart war 1763 von München über Augsburg nach Mannheim, Mainz und Frankfurt gereist und dann bis in die Niederlande gelangt, um von dort nach London überzusetzen. Auf dieser Reise war er auch nach Ludwigsburg gekommen, wo er konzertierte, wenn es auch der regierende Herzog Carl Eugen nicht für nötig erachtete, dem Ereignis beizuwohnen. Es verwundert trotzdem nicht, dass in einer Zeitschrift unter der Schirmherrschaft von Carl Eugens Bruder, dem mit Aufklärern in Kontakt stehende Ludwig Eugen (1731–1795), über den Auftritt des Wunderkindes berichtet wurde.
Da Grimm von Mozarts Talent begeistert war - schließlich war er im November 1763 ja auch nach Paris gelangt und hatte dort und in Versailles musiziert -, hatte ihm ein Freund den Bericht aus Württemberg geschickt.
Wie der weitere Brief ausweist, ging es Karoline in Darmstadt keineswegs um das junge Genie, vielmehr wollte sie Näheres über die Zeitschrift wissen, deren Zuschnitt Grimm eher abtat: „un peu de cette Metaphysique vague et petite que les Français refugiés ont établie en Allemagne d’après la philosophie de Wolf“ – „ein wenig von der vagen und kleinlichen Philosophie, die geflüchtete Franzosen in Deutschland nach der Philosophie von Wolf etabliert haben“. Es liegt zwar auf der Hand, dass Karoline wusste, wer dieses Wunderkind ist, da Grimm den Namen nicht näher erklärt, aber nach ihm gefragt hatte sie nicht.
Drei Jahre später sah das schon anders aus: „Les Opéra que votre Altesse m’a fait l’honneur de me demander sont prêts et partiront cette Semaine à l’adresse de M. Widemann. La Musique de Bastien et Bastienne n’a jamais été gravée.“ – „Die Opern, die Ihr Hoheit die Ehren hatten von mir so verlangen, sind fertig und gehen noch diese Woche an Herrn Widemann. Die Musik von ‚Bastien und Bastienne‘ wurde bisher nicht gedruckt.“ Die Existenz des Werkes muss der Landgräfin also zur Kenntnis gelangt sein, und Grimm in Paris hatte die Noten vorliegen. Leider schreibt er nicht mehr darüber. Das ist besonders schade, da bis heute nicht bekannt ist, wann das Frühwerk Mozarts uraufgeführt wurde. Sowohl das Palais Mesmer in Wien als auch Schloss Rothmühle in Schwechat bei Wien ist im Gespräch. Vielleicht hat die Große Landgräfin das Stück sogar in Darmstadt aufführen lassen. Aber auch das muss Spekulation bleiben. Was aber feststeht: Im Staatsarchiv Darmstadt sind zwei sehr frühe Zeugnisse über Wolfgang Amadeus Mozart überliefert.
Rouven Pons, Darmstadt