Im August 1863 hielt sich Kaiser Franz Joseph von Österreich beim Frankfurter Fürstentag auf, der den letzten Versuch unternahm, durch den Ausbau föderaler Institutionen und der Steigerung von Partizipationsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten den Deutschen Bund zu retten. Der Kongress tagte vom 16./17. August bis zum 1. September, und damit fiel auch Franz Joseph 33. Geburtstag in die Zeit dieses Aufenthalts. Großherzog Ludwig III. von Hessen hatte ihn deshalb, als getreuer Parteigänger Österreichs, eingeladen, dieses Fest in Darmstadt zu begehen, was der Kaiser annahm.
Kaiserfest
Franz Joseph feiert Geburtstag
Die „Darmstädter Zeitung“ (20. August 1863) und das Tagebuch des Prinzen Karl von Hessen ( HStAD, D 23, 25/6Öffnet sich in einem neuen Fenster), einem Bruder des Großherzogs, geben über die Ereignisse dieses 18. August 1863 in Darmstadt Aufschluss. Wie nicht anders zu erwarten, war die ganze Stadt auf den Beinen, um den Gast zu sehen. Häuser und Straßen waren mit Fahnen und Girlanden geschmückt, als Franz Joseph – der „Enkel der deutschen Kaiser“, wie es in der Zeitung hieß – in einer offenen Kutsche gegen 10:30 Uhr zusammen mit dem Großherzog von Hessen und König Max von Bayern vom Bahnhof in die Stadt fuhr. Die Zeitung machte aber auch deutlich, dass es sich um mehr als einen Privatbesuch handelte. Denn sie schrieb, dass Franz Joseph „eben Seine Liebe für Deutschland, Seine Sorge für des gemeinsamen Vaterlandes Macht, Blüthe und Größe so herrlich bewiesen“ habe. Der Position des Großherzogtums auf der Seite Österreichs und gegen Preußen, das auf Bismarcks Druck hin am Fürstenkongress nicht teilnahm, wurde in der Zeitung klar Ausdruck verliehen.
In einem zweiten Wagen folgten der Kaiserbruder Ludwig Victor – „jugendlich unschön, doch angenehm“, wie Prinz Karl von Hessen festhielt –, der Gouverneur der Bundesfestung Mainz, Erzherzog Wilhelm, Prinz Gustav Wasa, der gerade bei Prinz Karl zu Besuch war, und die hessischen Prinzen. Anwesend war auch der Herzog von Braunschweig. Alle führen zum Paradeplatz (heute: Friedensplatz), wo vor „dem dicht gedrängten Volk“ eine Truppeninspektion geboten wurde. Schließlich zeigte sich der Kaiser mit der großherzoglichen Familie auf den Wällen des Schlosses, wo auch die weiblichen Mitglieder der Familie hinzugestoßen waren. Im Schloss wurden dem Kaiser seine – eher formell hergerichteten – Räumlichkeiten gezeigt und das Frühstück eingenommen, um anschließend auf die Rosenhöhe zu fahren. Dann folgte gegen 13:30 Uhr der Besuch im Palais des Prinzen Karl und eine anschließende Visite von Schloss Kranichstein, was dem passionierten Jäger Franz Joseph sicherlich sehr gefallen haben mag. Um 16 Uhr schloss sich in der Orangerie in Bessungen die Familientafel an. Am Eingang hatte sich der Ortsvorsteher mit den obligatorischen Schulkindern postiert um Hochrufe anzustimmen, und nach dem Toast des Großherzogs waren 101 Kanonenschüsse zu hören.
Krönender Abschluss war aber die Aufführung von Charles Gounods Oper „Die Königin von Saba“, die Anfang 1863 in Darmstadt Premiere gefeiert hatte und ein über die Maßen prächtiges Ausstattungsspektakel war. Der Theaterzettel des 18. August ist heute noch im Staatsarchiv Darmstadt überliefert. Beim Betreten der Hofloge durch Kaiser und Großherzog in die Hofloge wurde die österreichische Hymne angestimmt, und immer wieder brandete der Jubel des vollbesetzten Hauses auf. Der Kaiser grüßte nicht in den Saal, sondern drückte seinem Gastgeber als „Vermittler des kaiserlichen Dankes“, wie es in der Zeitung hieß, die Hand. Er blieb vier der fünf Akte im Theater und machte sich gegen 22 Uhr auf den Rückweg nach Frankfurt. Das Ludwigsmonument auf dem Luisenplatz wurde mit benaglischem Feuer und Lichtkugeln erhellt. Die Berichterstattung endete mit der Feststellung, dass der Jubel aus „deutschem Herzen“ erfolgt sei und verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, dass der Fürstentag zu einem erfolgreichen Ende geführt wurde.
Rouven Pons, Darmstadt