1923 wurde erstmals des Georg-Büchner-Preis verliehen – damals noch ein Preis des Volksstaates Hessen, der an Künstler der verschiedenen Sparten vergeben wurde, die aus Hessen stammten oder mit dem Land verbunden waren. Das Stadtarchiv Darmstadt nutzt die Gelegenheit für eine Ausstellung im „Haus der Geschichte“ und ein umfangreiches Begleitprogramm, in dem nicht nur Autorinnen wie Anna Seghers und Elisabeth Langgässer vorgestellt werden, sondern auch bildende Künstler und Musiker; Letztere mit musikalischen Darbietungen.
Das Staatsarchiv Darmstadt beteiligt sich an der Veranstaltungsreihe mit zwei Programmpunkten. Am 20. November 2023 um 18 Uhr wird Dr. Rouven Pons die Oper „Valerio“ von Hans Simon vorstellen und – wohl erstmals seit der Darmstädter Uraufführung 1931 – Ausschnitte des Stückes live zu Gehör bringen. Simon bekam im selben Jahr, in dem seine einzige Oper, die auf Büchners „Leonce und Lena“ zurückgeht, am Darmstädter Landestheater uraufgeführt wurde, auch den Büchner-Preis verliehen. Der Bezug zum Preis und zum Schriftsteller, aber eben auch zur Lokalität, in der sich heute das Haus der Geschichte befindet, ließen es fast zwingend erscheinen, dieses Werk in den Blick zu nehmen. Die Diskussion über die Qualität des Stückes und die Presseresonanz waren durchaus kontrovers – dem Intendanten war es schlichtweg zu wenig Büchner, andere lobten den traditionellen Zugang, während wieder andere es als eklektizistisches Machwerk abtaten („Rosenka-Valerio“).
Der Komponist war zum Zeitpunkt der Uraufführung schon länger in einem Netzwerk mit völkischer Weltanschauung eingebunden, so dass mit Hilfe des Stückes die zunehmend konservative Ausrichtung des in den 1920er Jahren als ausgesprochen avantgardistisch aufgestellten Landestheaters nachvollzogen werden kann. Vorgestellt werden aber nicht nur Simon und sein SPD-naher Textdichter mit der Künstlernamen Theodor Ginster, sondern auch der Bühnenbildner Lothar Schenk von Trapp, der griechisch-jüdische Regisseur Renato Mordo und der Dirigent des Abends, Karl Böhm, der es als „fürchterliche Darmstädter Lokalangelegenheit“ abtat. Der Vortrag mit Musik wird damit nicht nur ein seit der Uraufführung „auf dem riesigen Opernfriedhof“ schlummerndes Werk, so Hermann Kaiser, exhumieren, sondern die ästhetische und politische Brüchigkeit der Jahre kurz vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten thematisieren.