Ab dem 2. November 2023 wird sie im Städel-Museum Frankfurt zu sehen sein: Die Holbein-Madonna kommt im Rahmen einer Ausstellung über die Renaissance aus den Beständen der Sammlung Würth „nach Norden“. Das weltbekannte Gemälde weist eine bewegte Geschichte auf: 1526 beauftragte der Baseler Bürgermeister Jakob Meyer zum Hasen den Maler Hans Holbein den Jüngeren mit der Anfertigung des Stiftergemäldes, welches den Bürgermeister und dessen Familie, gruppiert unter der Muttergottes, zeigt.
Holbein-Madonna
Tausche 20 Millionen gegen 100.000 Mark!
Das Gemälde blieb zunächst in Familienbesitz, bis es 1633 zu dem Kunsthändler Michel Le Blond gelangte. Dieser sah in dem Kunstwerk eine Möglichkeit seinen Profit zu verdoppeln. Er ließ von dem talentierten, aber finanziell gebeutelten Künstler Bartholomäus Sarburgh eine Kopie anfertigen, die er der Königinnenwitwe Maria de Medici verkaufte. Aus deren Besitz gelangte das Kunstwerk über Italien schließlich nach Dresden und wurde dort lange Zeit für das Original gehalten. Dieser Irrtum sollte sich erst im Dresdner Holbeinstreit von 1871 klären. Wo aber war das Original in dieser Zeit? Die echte Madonna machte mehrere Stationen auf dem Amsterdamer Kunstmarkt, bis sie schließlich 1819 nach Paris gelangte. Dort wurde es 1822 von Prinz Wilhelm von Preußen erworben.
Dieser schenkte das Gemälde seiner Gattin Marianne von Hessen-Homburg, durch deren Erbfolge es in den Besitz des Hauses Hessen-Darmstadt gelangte. Ab 1852 befand sich die Holbein-Madonna in Darmstadt – daher der Name „Darmstädter Madonna“. Seit 1924 war sie im neu gegründeten Schlossmuseum ausgestellt. Den Zweiten Weltkrieg überlebte das Gemälde aufgrund seiner Verschickung nach Schlesien, anschließend gelangte es nach Coburg, von wo es 1945 nach Schloss Wolfsgarten zurückgebracht wurde. Zwischen 1947 und 1958 war es an das Basler Kunstmuseum ausgeliehen. Dafür durften Darmstädter Kinder („Madonnenkinder“) Urlaub in der Schweiz machen. Nach Wiedereinrichtung des Schlossmuseums kehrte das Gemälde 1965 dorthin zurück. Der künstlerische wie historische Wert des Gemäldes ließen es in kurzer Zeit zum kulturellen Aushängeschild des Museums und der ganzen Stadt werden. An eine Vergabe oder gar einen Verkauf der Madonna an andere Standorte war außer im Rahmen einer Leihgabe nicht mehr zu denken.
Der 1971 amtierende hessische Kultusminister Ludwig von Friedeburg war allerdings anderer Ansicht. Angetan von einem Porträt Friedrich Eberts des Impressionisten Lovis Corinth, welches als Leihgabe aus Basel in seinem Büro hing, versuchte von Friedeburg einen Tausch zu initiieren: Die Holbein-Madonna, wohlgemerkt mit etwa 20 Millionen DM dotiert, sollte gegen das Friedrich-Ebert-Gemälde (100.000 DM) getauscht werden. Der Vorschlag wurde schnell abgewiesen, da ein solcher Tausch nur bei annähernd gleichwertigen Gemälden vollzogen werden könnte. Zudem hatte die Holbein-Madonna den Status geschützten deutschen Kulturgutes inne, was einen Verkauf ins Ausland unmöglich machte.
Kultusminister von Friedeburg ließ sich davon jedoch nicht abhalten und unterbreitete seinen Vorschlag in einem persönlichen Brief an Prinzessin Margaret von Hessen und bei Rhein, welche die Besitzerin des Gemäldes war: Der Status der Madonna als geschütztes Kulturgut könne dabei „außer Acht gelassen werden“. Ein „unglaublicher Skandal“ (Darmstädter Tageblatt 31.7./1.8.1971): die Darmstädter Presse sowie zahlreiche Abgeordnete des Hessischen Landtags äußerten sich erbost und oft mit Spott über diesen „versuchten Kunstraub mit legalen Mitteln“ (Darmstädter Tageblatt 27.7.1971) (Bernhard Sälzer, CDU-Landtagsabgeordneter). Das Darmstädter Tageblatt fasste den Tauschversuch mit den prägnanten Worten „Tausche fremden Rolls Royce gegen Basler 2 CV!“ (Darmstädter Tageblatt 18.8.1971) zusammen. Schnell war klar, dass ein solches Geschäft nicht zustande kommen würde. Somit verblieb es bei dem medialen Aufschrei, der auch in Basel Widerhall fand. Der Darmstädter Archivoberrat und Historiker Dr. Walter Gunzert, der in mehreren Zeitungsartikeln die Geschichte dieses berühmten Bildes aufarbeitete, sammelte die Berichterstattungen zu dem Skandal, welche sich nun als Teil seines Nachlasses im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt befinden (
HStAD, O 61 Gunzert, 452 bis 454Öffnet sich in einem neuen Fenster).
Die Holbein-Madonna verblieb daraufhin noch mehrere Jahrzehnte in Darmstadt, bis sie zwischen 2004 und 2011 als befristete Leihgabe an das Städel-Museum gegeben wurde. Nach diesem Aufenthalt kehrte das Gemälde nicht wieder nach Darmstadt zurück, sondern gelangte per Ankauf in die Sammlung Würth. Heute ist sie regulär in der Johanniterkirche in Schwäbisch Hall ausgestellt, und jetzt – für kurze Zeit – eben wieder in Frankfurt.
Johannes Reutzel und Sebastian Wigand, Praktikanten im Staatsarchiv Darmstadt