Sie fragen sich jetzt bestimmt, woher kommt dieses ganze Metall? Nun der erste Schritt bei der Erschließung eines neuen Aktenbestands ist das „Entmetallisieren“. Tacker- und Büroklammern können rosten und damit das Papier und die Akten beschädigen, weswegen es wichtig ist, diese zu entfernen, um eine möglichst lange Erhaltung der Dokumente zu gewährleisten. Tackernadeln und Büroklammern sollten daher in der alltäglichen Büroarbeit möglichst vermieden werden!
Der Bestand und das Metall stammen aus dem Landratsamt Fulda. Im dortigen Gesamtbestand der Akten findet man eine Vielzahl von Unterpunkten, die so manche interessanten Inhalte versprechen.
Wir durften den Bestand, „Durchführung hygienischer Kontrollen in den Gemeinden“ erschließen, der eine Laufzeit von ca. 1900 bis 1975 aufweist. In den allermeisten Fällen handelt es sich um ärztlich durchgeführte Orts- und Schulbesichtigungen sowie Wasserkontrollen. Hier und da fand man auch etwaige „Ausreißer“, beispielsweise Anträge auf das Bereitstellen von Wohnraum im Rahmen des Wohnungsnotstandsprogrammes oder Lebensmittelkontrollen, die man sogar in den Kriegsjahren durchführte.
Man kann auch Beschwerden über Granattrichter (heutzutage eher Bombenkrater genannt) lesen. Darin wird berichtet, wie sich in diesen Löchern stinkendes Wasser und Insekten in trauter Zweisamkeit versammelt hatten, was für umliegende Anwohner jedoch weniger idyllisch war. Es sind gerade solche Momentaufnahmen der Nachkriegszeit, die einem vergegenwärtigen, wie unterschiedlich und dennoch ähnlich die Sorgen und Nöte der Menschen in dieser Zeit waren.
Es gibt in diesem Bestand auch Stilblüten vom erbosten Kreisarzt Dr. Nobel, der im Zeitraum zwischen 1920 und 1940 für die Durchführung von Orts- und Schulbesichtigungen zuständig war und sich durch manche Gemeinden im Kreis Fulda geradezu kämpfen musste. Nicht nur einmal fand er sich in Ortschaften wieder, die selbst für damalige Verhältnisse, äußerst schlechte hygienische Bedingungen vorzuweisen hatten. Von offenen Quellanschlüssen, die ungeschützt vor allerlei Ein- und Ausflüssen der Nutz- und Wildtierfauna waren, über Frösche und anderes Kriechgetier im Ortsbrunnen, bis hin zu Schulräumen mit winzigen Bänken an denen die Schülerinnen und Schüler mit einem Buckel sitzen mussten, um schreiben zu können. Als sei das nicht schon genug, hatten gerade die unhygienischsten Gemeinden oft – und das mag nicht verwundern – die desinteressiertesten Bürgermeister. Sie ließen Dr. Nobel trotz ausgemachtem Termin oft sprichwörtlich, und vielleicht sogar wortwörtlich, im Regen stehen, was ihm übel aufstieß. Luft machte er sich dann in Briefen und Berichten an seine Vorgesetzten. Es ist in diesem Kontext sehr amüsant zu sehen, wie viel man über den Charakter und die Art einer Person aus solchen Akten erfahren kann.
Die Bearbeitung des Bestandes hat sich als spannend und spaßig erwiesen, was man auf den ersten Blick vielleicht nicht vermutet hätte. Es stellt sich heraus, dass bei genauerem Hinsehen ganz neue Entdeckungen und Denkansätze möglich werden. Das ist wohl auch die Essenz unseres ersten Erschließungsprojekts: Die Geschichte und die Zeugnisse die uns aus der Vergangenheit erhalten bleiben, verbergen oft viel mehr, als der erste Blick es vermuten lässt. Für die Gesellschaft sind Archive von hoher Bedeutung, da sie neben ihren berühmtesten Stücken oder schönen Urkundensammlungen, erstaunliche Schätze selbst in zunächst eher unspektakulär anmutenden Beständen aufbewahren, die es noch zu erforschen gilt.
Tizian Hollerith, Taliesin Ian Samuel und Konstantin Stork, Studentische Praktikanten im Hessischen Staatsarchiv Marburg