Alles begann mit einer verheißungsvollen E-Mail: Es seien Unterlagen zur Bewertung aufgetaucht, in einer Schule, aus der NS-Zeit… auf einem Dachboden. Uns war sofort klar, dass wir die Unterstützung von Anwärterin Sabrina Jorewitz aus Bad Homburg brauchen würden. Es heißt zwar, Überlieferungsbildung sei die Königsdisziplin des Archivwesens. Doch wenn man einmal knietief in den Akten steht, hat es sich mit solchen Standesdünkeln schnell erledigt. Dann braucht es einfach so viele Hände wie möglich, um Licht ins Dunkel zu bringen und den Fall erfolgreich abzuschließen.
Mit einem Bewertungsmerkblatt in der Tasche und dem glücklichen Mut der Naiven im Herzen machten wir uns auf die Reise nach Bad Wildungen und erkundeten unseren ersten archivischen „Tatort“. Der Speicherraum war kürzlich einer Generalrevision unterzogen worden, die neueren Unterlagen lagerten schon in Metallregalen. Auf uns warteten jedoch einige beschriftete Kisten älterer Provenienz. Die Autopsie der darin enthaltenen Akten offenbarte uns die Schulverwaltung während der Zeit des Ersten Weltkriegs und des Nationalsozialismus. Wir sicherten zahlreiche archivwürdige Unterlagen, die die Realität des Schulbetriebs in Krisenzeiten zeigten, darunter neben Zeugnissen von Eingriffen in den Schulalltag auch kriegsbedingte „Kuriosa“ wie Anleitungen zum Beerensammeln und Hasenhäuten. Nach unserem Abstieg in die Abgründe des Krieges widmeten wir uns noch weiteren Kartons, in denen wir neben Prüfungsunterlagen und Schüleranmeldungen auch eine besondere Entdeckung machten: Die Schule und ihre Vorläufer verfügten mit gleich drei kunstvoll gestalteten Schülerzeitschriften über eine reichhaltige Dokumentation des Schullebens und der politischen Verhältnisse ihrer Zeit.