Historische Postkarte: Oben Wildschweine, darunter handschriftlicher Text

Vom Jagdrevier zum Ausflugsziel

Die hessischen Wild- und Tierparks laden zum Ausflug ein. Drei historisch besonders interessante Parks aus den Sprengeln der Hessischen Staatsarchive werden im Folgenden näher vorgestellt.

Ein beliebtes Ausflugsziel in den Sommerferien sind Wild- und Tierparks, die es in Hessen zuhauf gibt. Oft in Kombination mit Spielplätzen oder im Rahmen regelrechter Freizeitparks angelegt, laden sie Jung und Alt zur Erholung und zum Entdecken der Tiere und ihrer Lebensräume ein. Viele der heute noch bestehenden Anlagen haben eine jahrhundertelange Tradition und gehen auf Parks zurück, die zu Jagdzwecken angelegt worden sind. Drei besonders geschichtsträchtige, einer aus jedem Sprengel der Staatsarchive im Hessischen Landesarchiv, stellen wir im Folgenden vor:

Tierpark Sababurg

Im wildreichen Reinhardswald, ganz im Norden des Bundeslandes, richtete Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel bereits 1571 am Fuße des „Dornröschenschlosses“ Sababurg („Zapfenburg“) ein über 500 Morgen großes, ummauertes Jagdrevier ein. Akten im Staatsarchiv Marburg dokumentieren seine Bemühungen, hierfür Gemsen aus Bayern oder Rentiere und Elche aus Skandinavien zu beschaffen. Doch die Haltung der Tiere war nicht unproblematisch: Im Schreiben an den bekannten Astronomen Tycho Brahe schildert Landgraf Wilhelm 1592, dass von vier Elchen aus Schweden bereits drei eingegangen seien, wahrscheinlich durch das Fressen verfaulter Eicheln. Gleiches passierte mit einer guten „Anzahl Reher, deßgleichen 19 Gembse, so wir vorm jahre außm Landt zu Bayern bringen, unndt gleicher gestalt in unsern Thiergartten zur Zapfenburgk thun lassen, auch kurz ufeinander gestorben sein“ (HStAM Best. 3 II Nr 1070Öffnet sich in einem neuen Fenster). Trotzdem diente der Park gut zwei Jahrhunderte der Jagd und der Versorgung mit Wildbret für den Hof, seit Ende des 18. Jahrhunderts als Weide für Jungvieh und vor allem für die Pferde des nahegelegenen Gestüts und der Domäne Beberbeck.

Historisches Schriftstück
Brief von Landgraf Wilhelm an den Astronom Tycho Brahe über die Schwierigkeiten der Tierhaltung im Jagdrevier bei der Sababurg, 1592 (HStAM Best. 3 II Nr 1070)

Ende der 1960er Jahre wurde zwischen dem ummauerten Park und dem „Urwald“ das „Hochwild-Schaugatter Sababurg“ eingerichtet, das der Förderung des Fremdenverkehrs und der Wildbeobachtung dienen sollte. 1971, 400 Jahre nach seiner Einrichtung, wurde der Park dann gleichsam aus seinem Dornröschenschlaf geweckt und mit dem Tierpark Sababurg ein Lebensraum für verdrängte und bedrohte Wild- und Haustierarten geschaffen. Vor märchenhafter Kulisse lassen sich dort heute Ure und Wisente, Urwildpferde und seltene Hirsche beobachten; im Laufe der letzten Jahrzehnte kamen ein Kinderzoo, eine Greifvogelstation oder die BienenWelt dazu.

Tiergarten Weilburg

Ebenfalls bereits Ende des 16. Jahrhunderts ließ Graf Albrecht von Nassau in der Nähe von Weilburg Damwild in einem Tiergarten halten. Hundert Jahre später, in den 1780er Jahren, wurde dieser zu einem Jagdrevier ausgebaut und umzäunt. 1732 wurde der Holzzaun durch eine mehr als zwei Meter hohe Steinmauer ersetzt, die heute noch steht und den Wildpark Tiergarten Weilburg, wie er seit 1970 heißt, gut sichtbar etwa gegen die Straße nach Braunfels und zur B 456 abgrenzt. 

 

 

Moderne computergenerierte Karte
Tiergarten Weilburg mit Ummauerung aktuell (openstreetmap.de)

Das abwechslungsreiche Areal, heute unter Verwaltung von HessenForst und im Besitz des Landes Hessen, lädt zu ausgedehnten Spaziergängen und zur Tierbeobachtung ein – neben Rot- und Damwild auch Elche, Wildschweine, Steinböcke und Mufflons. Als besonderes Highlight gibt es ein Bärengehege. Im Vergleich der heutigen Luftaufnahme mit der historischen Karte aus der Mitte des 18. Jahrhunderts erkennt man, dass sich an der Anlage relativ wenig verändert hat – viele Wege, Gebäude und Weiher sind seit 300 Jahren an derselben Stelle.

Historische Karte: Wald und Wege
265 Jahre zuvor sind die Straße „nach Franckfurth und Wetzlar“, Mauer, Gebäude und Weiher schon an gleicher Stelle (Plan des nassau-weilburgischen Waldes ‚Tiergarten‘ und des benachbarten herrschaftlichen Waldes ‚Pfannenstiel‘ bei Weilburg, 1759 (HHStAW, 3011/1, 721 H, Auschnitt)

Wildpark Kranichstein

Das Jagdschloss Kranichstein bei Darmstadt wurde ebenfalls Ende des 16. Jahrhunderts, um 1580, von Landgraf Georg I. von Hessen-Darmstadt erbaut, nachdem er das 1571 erworbene Gut Kranichstein bereits um Stallungen, Scheunen und Mühlen, Getreidefelder, Obst- und Weinbau sowie ein 400 Morgen großes Wildgehege erweitert hatte. Schloss und angrenzendes Jagdrevier waren mustergültig auf die Jagd- und Feierbedürfnisse des Darmstädter Hofes ausgerichtet; die Schneisensterne durch den Park legen heute noch Zeugnis der beliebten Parforcejagd ab. Bereits 1918 öffnete Großherzog Ernst Ludwig das Gebäude für die Öffentlichkeit, indem er das auch heute noch bestehende Jagdmuseum im Schloss einrichtete. Derzeit lohnt der Besuch der zusammen mit dem Staatsarchiv Darmstadt kuratierten Ausstellung zum 250. Todestag der „Großen Landgräfin“ Karoline von Hessen-Darmstadt – Naturgefühl und WissenschaftÖffnet sich in einem neuen Fenster.

Kolorierter Holzschnitt: Blick über einen Teich auf ein Schlossgebäude
Jagdschloss Kranichstein mit Teich, 1840 (HStAD, R 4, 40988)

Mit einem als Freizeitpark ausgestalteten Tierpark vergleichbar der Sababurg und Weilburg haben wir es beim Kranichstein nicht zu tun, obgleich es weitläufige Parkanlagen und ein umzäuntes Wildschutzgebiet mit einer Beobachtungsstation gibt und Rotwild oder Wildschweine gesichtet werden können. Im Jagdschloss Kranichstein hat man es sich in besonderem Maße zur Aufgabe gemacht, Wissen über Biodiversität zu vermitteln: Das im ehemaligen Zeughaus eingerichtete „Bioversum“ thematisiert die „biologische Vielfalt als untrennbaren Teil der kulturellen Entwicklung des Menschen“; in Zusammenarbeit mit der TU Darmstadt wird Artenvielfalt auf Blühwiesen erforscht, die im „Wiesion“ erlebt werden können.

Aus ehemaligen Jagdrevieren und repräsentativen Orten der höfischen Gesellschaft sind heute Biotope, zum Teil für seltene Tierarten, Bildungseinrichtungen und Naherholungsgebiete geworden. Ein Ausflug in die traditionsreichen hessischen Tierparks lohnt daher nicht nur während der Sommerferien! Weitere Informationn bieten die unten verlinkten Webseiten.

Katrin Marx-Jaskulski, Marburg