„Nicht stehen bleiben, Bayreuth aus der Umklammerung jener Sekte von Wagnerianern zu lösen, die schon zu Zeiten Cosimas und Siegfrieds alle Neuerungen auf dem Festspielhügel glaubten bremsen zu müssen, Bayreuth zu einer weltoffenen Musikstadt zu machen, ihre Geltung zu aktualisieren, ist mein Bestreben gewesen“ – so erklärte der Musikschriftsteller Herbert Barth sein Engagement in Bayreuth in der unmittelbaren Nachkriegszeit (zitiert nach: Verena Naegele, Sibylle Ehrismann: Die Beidlers. Im Schatten des Wagner-Clans, Zürich 2013, S. 207). Er führte seit 1945 zusammen mit seiner Frau Hanna einen literarisch-musikalischen Salon und führte dabei u. a. programmatisch Paul Hindemith in das Bayreuther Musikleben ein. Mit Tagungen und der Gründung eines Instituts förderte er die Neue Musik. Und er suchte nach neuen musikalischen Wegen für die „alte“ Jugendmusikbewegung. Es waren wohl Barths Verbindungen zu deren Protagonisten wie Fritz Jöde, Hilmar Höckner und Kurt Sydow, und ihr gemeinsames Engagement für das Internationale Jugend-Festspieltreffen, was für Barth den Ausschlag zur Abgabe seines Vorlasses an das Archiv der deutschen Jugendbewegung gab.
Herbert Barth (1910–1998), Sohn eines Organisten in Erfurt, gründete schon als 18-jähriger Schulabsolvent seine erste Konzertagentur, das Mitteldeutsche Konzertbüro. Er blieb lebenslang ein Musikliebhaber und Autodidakt; eine förmliche Ausbildung durchlief er nicht. Umso bedeutender waren seine weit ausgespannten persönlich-professionellen Netzwerke. So organisierte er zwischen 1931 und 1933 mehrere Musikkongresse auf der Burg Lauenstein. Sein besonderes Interesse galt der Vermittlung neuer musikalischer Formen und Ausdrucksweisen.
Das Jahr 1933 brachte einen tiefen Einschnitt, da Barth als Angehöriger sozialistischer Kulturvereinigungen (u. a. „Interessengemeinschaft für Arbeiterkultur“) mit sofortiger Verfolgung rechnen musste. Gemeinsam mit seiner Frau, der Leipziger Malerin Hanna Teichler (1911–1961), verließ er Deutschland 1934, emigrierte nach Schweden, kam aber 1935 zurück und hielt sich u. a. als Verlagsangestellter über Wasser. Am Zweiten Weltkrieg nahm Barth als Soldat teil. Die Familie siedelte schließlich nach Bayreuth um, als Mieter im Barockschloss Carolinenruhe.
Nach Kriegsende veranstaltete das Ehepaar dort einflussreiche Hauskonzerte, die sogenannten "Abendstunden im Colmdorfer Schlößchen". 1947 regte Barth die Gründung des "Instituts für Neue Musik" an und in diesem Kontext wegweisende Tagungen „Die Neue Musik im Unterricht“ und „Jugend und Neue Musik“. 1950 rief er das erste Internationale Musikstudententreffen ins Leben, das unter Schirmherrschaft der Bayreuther Festspiele später als „Internationales Jugend-Festspieltreffen“ ein eigenen Sitz in der Stadt erhielt. Außerdem gründete Barth die deutsche Sektion der "Jeunesses Musicales" in Bayreuth, die sich später unter der "Musikalische Jugend Deutschlands e.V." konstituierte. Während dieser Zeit pflegte er intensive Kontakte zu vielen international angesehenen Künstlern. Nach dem Tod seiner Frau, 1961, heiratete er die Konzertpianistin und Musikpädagogin Grete Roth (1921–1984), die die künstlerische Organisation des Jugend-Festspieltreffens übernahm. Herbert Barth wurde für sein Engagement 1965 mit der Richard-Wagner Medaille und 1980 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. Am 1. Januar 1998 starb er in Bayreuth.
Diplom-Archivar Mario Aschoff hat jetzt die archivische Erschließung des Nachlasses von Herbert Barth in einem Umfang von 41 Archivkartons abgeschlossen ( AdJb, N 59Öffnet sich in einem neuen Fenster). Neben den erwartbaren Dokumenten aus dem persönlichen und beruflichen Wirkungskreis Herbert Barths sind die ausführlichen Tagebücher von Hanna Barth, der ersten Ehefrau, aus den Jahren 1933–1961 besonders erwähnenswert. In diesem ausführlichen, mit Zeichnungen bebilderten Ego-Dokument finden sich viele Details zum Aufenthalt in Schweden, zum Kriegs- und Nachkriegsalltag in Bayreuth sowie zu Begebenheiten im Umfeld der Bayreuther Festspiele und des Internationalen Jugend-Festspieltreffens. Für musikwissenschaftliche Fragestellungen aber auch zur Person der Malerin Hanna Barth bietet der Nachlass eine Fülle interessanter neuer Quellen.
Susanne Rappe-Weber, Archiv der deutschen Jugendbewegung