Hausfrau, Bäuerin, Landwirtin, Näherin – Kunstmalerin. Während sich die meisten Angaben zur beruflichen Tätigkeit weiblicher Anwohnerinnen in Langenbrombach im Odenwald ähneln und sich nicht besonders hervortun, weckt Letztgenannter deutlich mehr Interesse. Die im Zeitraum zwischen 1948 und 1951 ausgefüllten Fragebögen mit Personendaten, die von jeder in Hessen lebenden Person angefertigt werden mussten, um auf dieser Grundlage Ausweise (Kennkarten) zu erhalten, lassen auch Rückschlüsse auf das ländliche Leben in Langenbrombach zu. Eine Künstlerin, wie es Luise Kumpa angab, ist aber ausgesprochen außergewöhnlich (HStAD Best. H 3 Erbach, Kreis Erbach Nr. 27714; Link zur VerzeichnungÖffnet sich in einem neuen Fenster). Das bot Anlass zur intensiveren Recherche.
Künstlerin wiederentdeckt
Auf den Spuren von Luise Kumpa
Die am 14. Dezember 1869 in Bessungen geborene Tochter des Zeichenlehrers Josef Kumpa und seiner Frau Louise lebte zum Zeitpunkt, als sie den Fragebogen ausfüllte, mit ihrer Schwester Eleonore auf dem Land im hessischen Odenwald. Ihre Wohnung in der Darmstädter Karlstraße, in der sie ab 1939 lebte, war dem Bombenangriff vom 11. September 1944 zum Opfer gefallen, so dass sie, wie viele andere Darmstädterinnen und Darmstädter auch, im Odenwald unterkam (Stadtarchiv Darmstadt ST 12718 Nr. 552/5 und Adressbuch Darmstadt 1949).
Über die Informationen des Fragebogens hinausgehend lassen sich weitere Stationen ihres Lebensweges rekonstruieren. So wird sie 1926 im „Handbuch des Kunstmarktes: Kunstadressbuch für das Deutsche Reich, Danzig und Deutsch-Österreich“ als in München wohnhafte Malerin geführt. Einen Namen hatte sie sich zu diesem Zeitpunkt auch in Darmstadt und Umgebung bereits gemacht: Ihre Illustrationen zu den 1906 herausgegebenen Erzählungen Oktavie Rehs finden lobend Erwähnung. Kumpas Zeichnungen zu dem „Märchen von den Osterhäschen“ (1908) dürften zu ihren populärsten Werken gehören. Vorangegangen nach Abschluss ihrer Zeichenlehre 1892 war die Illustration zahlreicher weiterer Kinderbücher.
Weitere Lücken in diesem bisher sehr schemenhaften Lebenslauf kann – neben dem bereits genannten Meldebogen im Stadtarchiv Darmstadt – schließlich ein Artikel der hessischen Zeitschrift „Volk und Scholle“ aus dem Jahr 1932 (Jahrgang 10, Heft 12) schließen. In dem Loblied auf die „Hessische Monumentalmalerin“, das die Darmstädter deutsche Kunsthistorikern Ottilie Rady verfasste, finden sich zunächst einige Angaben zur Ausbildung Luise Kumpas. So habe sie bis 1902 Schuldienst geleistet, bis sie ihren eigenen beruflichen Werdegang wieder in den Blick gefasst habe. Zu diesem Zwecke sei sie nach München gezogen. Nach dem Besuch der dortigen Malschule der Viktoria Zimmermann habe sie schließlich ab 1916 des Öfteren das Atelier des Malers Hans Hofmanns besucht. Seine Schule gilt als eine der ersten für moderne Kunst. Später, zwischen 1920 und 1923, habe sie unter dem Niederländer Johan Thorn-Prikker gelernt, welcher ihr besonders den Monumentalstil nähergebracht habe. Dieser Stil definiert sich durch einen Rückgriff auf mittelalterliche Traditionen sowie den Schutz der heimatlichen Architektur und lokaler Bautraditionen. Diese Prägungen sollten sich als nachhaltig erweisen. Rady schrieb Kumpa die Anleitung der Renovierung einer Kirche zu Herrnhaag sowie die dortigen Freskomalereien zu. Auch für die Neugestaltung eines Kirchenfensters im Gemeindehaus in Seckmauern bei Wörth sei die hessische Monumentalkünstlerin verantwortlich. Anlass für den lobenden Artikel Radys ist eine Ausstellung der Künstlerinnenvereinigung „Dreistädtebund“ in den Räumlichkeiten des Gewerbemuseums Darmstadt 1932. Kernstück dieser Ausstellung seien die Werke Kumpas gewesen, konkrete Ausstellungsstücke lassen sich heute leider nicht mehr benennen.
Nach der Übersiedlung in den Odenwald starb Luise Kumpa 1955 in einem Altenheim bei Nieder-Ramstadt. Viele ihrer Werke gerieten in Vergessenheit und finden heute nur noch vereinzelt Erwähnung. Ein online angebotener „Kulturspaziergang“ im hessischen Alsbach-Hähnlein, wo sie für einige Zeit ab 1909 lebte, verspricht Kontakt mit Werken Luise Kumpas, ein Indiz auf ihre noch heute vorhandene Wirkung. Ihre Kunst ist geprägt von einem Bezug auf Tradition und religiöse Motive, doch strahlt ihr Lebenslauf in dieser rekonstruierten Form eine Eigenständigkeit und Selbstbestimmtheit aus. Und so sticht sie auch heute etwas aus der Masse heraus, genauso wie ihr angegebener Beruf auf dem Fragebogen.
Tobias Bach, ehem. Praktikant am Staatsarchiv Darmstadt
Literatur
Claus N. Netuschil: Luise Kumpa, in: Der weibliche Blick. Vergessene und verschollene Künstlerinnen in Darmstadt 1880–1930, hgg. von Claus N. Netuschil, Darmstadt 2013, S. 122–127