Während die Reisen innerhalb Europas, und hier vor allem im sogenannten Schengen-Raum, heute ohne große Kontrollen an den Landesgrenzen komfortabel durchgeführt werden können, war dies in historischen Zeiten nicht so vorgesehen. Auch wenn die Menschen früher oft mobiler waren als die Vorstellungen dazu heute suggerieren, war das Reisen über die heimische Territorialgrenze hinweg auch mit dem Nachweis der Legalität und Identität verbunden. Tatsächlich gibt es derartige Dokumente schon seit der Antike und so leitet sich der Begriff „Reisepass“ vom lateinischstämmigen „passare“ für „durchgehen“, also „passieren“ ab. Das französische Wort „Passeport“ zeigt diesen Ursprung noch deutlicher an, da es darum geht, Einlass zu erhalten und damit Tore und Pforten durchschreiten zu dürfen. Kein Wunder also, dass sich in den Beständen des Hessischen Staatsarchivs Marburg, so wie in anderen staatlichen Archiven, eine Anzahl von Anträgen von Reisepässen und auch die ausgestellten Dokumente finden.

Über Reisepässe
Reisedokumente einst und heute

Ein entsprechendes Passage-Dokument findet sich aus dem Jahr 1667 in der Staatenabteilung. In HStAM, 4 f Staaten D, Dänemark 110Öffnet sich in einem neuen Fenster findet sich ein Pass für den hessen-kasselischen Rat Caspar Friedrich von Dalwig, den ihm Kronprinz Christian (1646–1699, König 1671) ausgestellt hatte. Von Dalwig hielt sich als Rat in Kopenhagen auf und für seine Fortbewegung innerhalb der dänischen Grenzen wurde ihm dieses Dokument für die „passagen“ übergeben. Zwar enthält dieser Ausweis bereits den Namen des Reisenden und auch ein Siegel sowie die Unterschrift des Ausstellers, aber weitere Daten, die heutige Reisedokumente enthalten wie Geburtsdatum, Identifikations-Merkmale wie Körpergröße und Augenfarbe oder gar ein Bild, sind hier nicht zu finden.

Noch beim Pass, den der französische Gesandte am Kasseler Hof, Charles Olivier de S. George Marquis de Verac, dem Kasseler Kaufmann Joseph Dubuy im Februar 1774 mit einer Gültigkeit von einem Monat ausfertigte, findet sich vor allem die Autorität des Ausstellers, indem das königliche Wappen und das des Marquis de Verac deutlich sichtbar auf dem Pass zu finden sind ( HStAM, Urk. 127, 757Öffnet sich in einem neuen Fenster).
Keine zehn Jahre später stellte Landgraf Adolf von Hessen-Philippsthal-Barchfeld (1743–1803) im Jahr 1781 einen Pass für den aus Rotenburg auf der Tauber stammenden Hof-Gärtner Johann Conrad Döllinger aus, der eine Personenbeschreibung enthielt: „seines Alters 24 Jahr, mittlerer Statur und blonden Haaren“ (Bild siehe oben). Zudem wurde neben dem Zweck der Reise, die Rückkehr in den Dienst als Hofgärtner beim Grafen von Dohna zu Schlobitten, die Reiseroute genannt, für die das Dokument als Passage-Erlaubnis dienen sollte: über Leipzig, Torgau, Frankfurt (an der Oder), Küstrin, Landsberg an der Warte (heute Gorzów Wielkopolski in Polen) ging es über Driesen (heute Drezdenko), Nackel (heute NakłoÖffnet sich in einem neuen Fenster), Filehne (heute WieleńÖffnet sich in einem neuen Fenster), Bromberg (heute BydgoszczÖffnet sich in einem neuen Fenster) und Graudentz (heute Grudziądz) nach Riesenburg, dem heutigen Prabuty, und Preußisch Holland schließlich nach Schlobitten (heute SłobityÖffnet sich in einem neuen Fenster) in Ostpreußen.

Der nur drei Jahre später von Ludwig XVI. (1754–1793) ausgestellte Passierschein für Johann Konrad Kolbe, den er für die Rückreise aus Frankreich ins Reich benötigte, gleicht vom Erscheinungsbild dem des französischen Gesandten de Verac, weist aber deutliche Gebrauchsspuren auf. Dieser kam mit dem Nachlass des Kasseler Generalsuperintendenten Wilhelm Kolbe in den Bestand des Hessischen Staatarchivs Marburg ( HStAM, 319 Marburg A, 399Öffnet sich in einem neuen Fenster).

Mit steigender Bürokratisierung und Mobilität auch einfacherer Leute finden sich auch andere Dokumente, die Reisen belegen. In einer entsprechenden Akte des Landratsamtes Kassel finden sich Vorgänge zur Erteilung von sogenannten Heimatscheinen und Reisepässen ( HStAM 180 Kassel, 2112Öffnet sich in einem neuen Fenster). Tapezierer Heinrich Seebach wurde 1867 ein Heimatschein ausgestellt, der belegte, dass er ein Ortsbürger von Kassel war. Da er nach München reisen wollte, um sich zu verheiraten, war es wichtig, dass er bei seiner Rückkehr in die Heimat nachweisen konnte, dass er ein Bürger der Stadt und des Landes war. Daher wurde explizit auf dem Heimatschein vermerkt: „derselbe dient nur zum Gebrauch im Inlande und keinesfalls als Reise-Legitimation im Auslande“, wobei das Inland zu dieser auf Zeit das Gebiet des Norddeutschen Bundes beschränkt war.

Ein „richtiger“ Reisepass findet sich aber auch in dieser Akte: Das Baseler Aufenthalts-Büro hatte 1880 den nach einem Jahr abgelaufenen Reisepass des Schlossers Georg Diegel aus Bettenhausen nach Kassel zurück gesandt mit der Bitte, einen Heimatschein für Diegel auszustellen und für ihn nach Basel zu senden. Dem wurde von den Kasseler Behörden stattgegeben und die Ausstellung inklusive Versand an das Schweizer Büro veranlasst. Aus diesem Grund findet sich der Reise-Pass, der bemerkenswerterweise schon den aktuellen deutschen Reisepässen von der äußerlichen Farbigkeit ähnelt, in der Akte, während sonst abgelaufene Ausweisdokumente in der Regel nicht den Weg in die Archive finden. Es wäre einfach eine schier unüberschaubare Menge an Dokumenten, die aufzubewahren wären. Auch hier gibt es eine Personenbeschreibung sowie den Nachweis der Gebühr: insgesamt 75 Pfennig, davon 50 für den Stempel und 25 als reine Bearbeitungsgebühr. Zum Vergleich: für einen Hausbesuch erhielt im Jahr 1875 ein Arzt in Hameln 75 Pfennig oder eine Mark. Aktuell muss für einen deutschen Reisepass eine Gebühr von 75, - € Euro gezahlt werden, wobei hier ein biometrisches Foto geliefert werden muss und der Reisepass maschinenlesbar ist.
So zeigt sich, dass das Bedürfnis von Reisenden, einen möglichst problemlosen Grenzübertritt von dem einen in den anderen Staat schon lange eines war, dem die Behörden gerecht wurden. Während dies zunächst nur von höchsten Instanzen der Obrigkeit ausgestellt wurde und auch oft für bedeutendere Personen wie Diplomaten, Kaufleute und Gelehrte, wuchs spätestens seit dem 19. Jahrhundert auch für Handwerker und einfachere Menschen die Notwendigkeit, bei einem warum auch immer bedingten mobilen Leben den Nachweis einer Zugehörigkeit zum Heimatterritorium zu haben. Die ab dem 19. Jahrhundert ersuchte Entlassung aus dem Untertanenverband zwecks Auswanderung, also die dauerhafte Niederlassung in einem anderen Staat, gehört in einen anderen Kontext, der in einem zukünftigen Newsletter-Beitrag behandelt werden wird. Für heute stellt sich daher für die Reisesaison 2025 lediglich die Frage: Welches Dokument benötige ich, und wenn es nur der Personalausweis ist: Genügt die Gültigkeit den geforderten Ansprüchen?
Eva Bender, Marburg