Musik spielt in der Geschichte der Menschheit von Beginn an eine bedeutende Rolle. Schon seit mehreren Jahrtausenden werden daher Systeme entwickelt, um Melodien aufzuschreiben und zu überliefern. So fanden Notenschriften in den verschiedensten Formen und Zusammenhängen auch Eingang in das Archivgut des Hessischen Landesarchivs (HLA).
Hessisches Landesarchiv
Mixed Pixels - Digitalisiertes Archivgut online: Juni 2023
Im 9. Jahrhundert entwickelte sich in den europäischen Klöstern eine Musikschrift für den gregorianischen Choral. Sie basierte auf Symbolen, sogenannten Neumen, die über dem Text eingetragen wurden und jeweils eine kurze melodische Einheit repräsentieren. Um die Tonhöhen zu erfassen, wurden den Zeichen Linien hinzugefügt. Diverse Fragmente solcher Neumenschriften sind im HLA überliefert, da das Pergament von liturgischen Handschriften häufig als Einband für frühneuzeitliche Amtsbücher wiederverwendet wurde ( HStAM, S, 468Öffnet sich in einem neuen Fenster). Die Neumen-Symbole entwickelten sich im Laufe des Mittelalters zu einfachen Notenzeichen weiter. Sie waren zunächst meist quadratisch, da eckige Zeichen mit Federkielen leichter auf Pergament zu schreiben waren als runde Formen ( HHStAW, 171, W 800Öffnet sich in einem neuen Fenster).
Durch die Ausdifferenzierung der Notenzeichen und die Ergänzung von Notenfähnchen konnte seit dem Spätmittelalter auch die Dauer eines Tons dargestellt werden. Aufgrund dieser Feinheiten der Musikschrift wurden Graf Johann von Nassau-Dillenburg im Jahr 1604 sogar detaillierte Vorschläge unterbreitet, sie als Geheimschrift für seine Korrespondenzen zu nutzen, wobei jeder Note ein Buchstabe zugewiesen werden sollte ( HHStAW, 170 III, 224Öffnet sich in einem neuen Fenster).
Ende des 15. Jahrhunderts wurde der Notendruck mit beweglichen Lettern erfunden, im Laufe des 17. Jahrhunderts kam außerdem die Einteilung von Musikstücken in einzelne Takte auf. Beide Entwicklungen lassen sich an dem Druck des Klagelieds ablesen, das anlässlich des Todes Landgraf Georgs II. von Hessen-Darmstadt im Jahr 1661 entstand ( HStAD, D 4, 159/1Öffnet sich in einem neuen Fenster).
Unter dessen Nachfolger Ludwig VI. wurde der Glockenbau im Darmstädter Residenzschloss errichtet und mit einem für die damalige Zeit sehr modernen, durch eine Spielwalze automatisch betriebenen Glockenspiel ausgestattet. Dieses ließ zu jeder Viertelstunde die Melodien von Chorälen erklingen, die Notensätze sind im Staatsarchiv Darmstadt erhalten geblieben ( HStAD, E 14 A, 87/1Öffnet sich in einem neuen Fenster).
Musikstücke aus „religiösem“ Kontext konnten jedoch auch für äußerst weltlich anmutende Argumentationen herangezogen werden. So bat Hofkapellmeister Wagner im Jahr 1817 den Großherzog um Übertragung des Anspruchs auf eine bestimmte Menge Wein, die bisher einem nunmehr verstorbenen Abbé Vogler zugestanden hatte. Er berief sich dabei auf den Martin Luther zugeschriebenen Vers „Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang, bleibt ein Narr sein Leben lang“, den er samt zugehöriger Noten an den Anfang seines Gesuchs stellte ( HStAD, D 12, 26/4Öffnet sich in einem neuen Fenster).
Neben Kirchenmusik war bereits seit dem Mittelalter auch Kammermusik von zentraler Bedeutung, also Musik, die für die fürstliche Kammer und zu rein weltlichen Zwecke komponiert wurde. Besonders im Kontext von Jubiläen wurden Fürsten und ihre Familien häufig mit Liedern beschenkt und geehrt. Im Jahr 1828 ließ etwa der Kammermusiker, Komponist und Musiklehrer Wilhelm Ferdinand Rong aus Bützow Großherzog Ludwig I. von Hessen-Darmstadt ein Volkslied zukommen, das er anlässlich Ludwigs Geburtstag komponiert hatte ( HStAD, D 12, 39/59Öffnet sich in einem neuen Fenster).
Auch in der Jugendbewegung der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts spielte Musik eine zentrale Rolle. Aus dem Umfeld der Wandervögel und der bündischen Jugend sind daher im Archiv der deutschen Jugendbewegung zahlreiche Liederbücher überliefert, die von der Wiederentdeckung des deutschen Volkslieds im Rahmen der Jugendmusikbewegung zeugen ( AdJb, CH 2, 17Öffnet sich in einem neuen Fenster). Mehr Informationen zu diesem Thema und sogar Hörbeispiele finden Sie hier: www.adjb-jugendmusikbewegung.deÖffnet sich in einem neuen Fenster.
Dieser kurze Überblick lässt die musikalische Vielfalt aus mehreren Jahrhunderten erahnen, die sich im Archivgut des HLA verbirgt. Wir wünschen daher allen Musikinteressierten viel Freude beim Studieren, Spielen oder Singen der verschiedenen Noten, Melodien und Lieder!
Sabine Fees, Hessisches Landesarchiv