In diesem Jahr feiern wir das 175. Jubiläum der Deutschen Revolution, die im März 1848 begann und daher auch als Märzrevolution bezeichnet wird. Das digitalisierte Archivgut des Hessischen Landesarchivs zeigt, wie das revolutionäre Geschehen in den Gebieten des heutigen Bundeslandes Hessen verlief.
Hessisches Landesarchiv
Mixed Pixels - Digitalisiertes Archivgut online: März 2023
Im Zuge der erfolgreichen Februarrevolution in Frankreich, die zur Ausrufung der Zweiten Republik geführt hatte ( HStAD, R 4, 32733 UFÖffnet sich in einem neuen Fenster), sprang der Funke in die angrenzenden deutschsprachigen Gebiete über. Dort wurden nun Forderungen nach einer nationalen Einigung der Fürstentümer des Deutschen Bundes, demokratischen Reformen und der Realisierung der Pressefreiheit sowie der Menschen- und Bürgerrechte im Allgemeinen laut. Als erster hessischer Fürst musste sich Herzog Adolph von Nassau dem Druck der Bevölkerung beugen und verkündete am 4. März in Wiesbaden die Bewilligung aller vorgebrachten Anliegen. Im Großherzogtum Hessen wurde am 6. März der Thronfolger Ludwig III. zum Mitregenten ernannt und proklamierte im Rahmen des sogenannten Märzversprechens die Liberalisierung der hessischen Verfassung und die Einberufung einer Nationalversammlung ( HStAD, R 4, 5960 GFÖffnet sich in einem neuen Fenster).
In Kurhessen war Kurfürst Friedrich Wilhelm I. in einer ersten Verlautbarung vom 7. März zunächst nur zu begrenzten Zugeständnissen bereit. Widerstand formierte sich besonders in Hanau: Die dortige Volkskommission formulierte ein Ultimatum und drohte sogar damit, Ludwig III. von Hessen-Darmstadt zum „König aller Hessen“ auszurufen. Nachdem sich mehrere tausend Bewaffnete in Hanau versammelt hatten, gab der Kurfürst am 11. März den Forderungen schließlich nach ( HStAD, R 4, 4309Öffnet sich in einem neuen Fenster).
In schneller Reaktion auf diese überall im Deutschen Bund vorgebrachten Märzforderungen beschloss der Bundestag ein Wahlgesetz, demzufolge in den Einzelstaaten Abgeordnete für eine konstituierende Nationalversammlung gewählt werden sollten. Nicht für einen hessischen Bezirk, sondern für das preußische Duisburg wurde beispielsweise Jacob Grimm, der ältere der beiden für ihre Märchensammlung bekannten „Brüder Grimm“, als parteiloser Vertreter in die Nationalversammlung gewählt ( HStAM, 340 Grimm, Br 3447Öffnet sich in einem neuen Fenster).
Den Kreis Zwingenberg vertrat Heinrich von Gagern ( HStAD, R 4, 38463Öffnet sich in einem neuen Fenster). Dieser hatte bereits als liberaler Landtagsabgeordneter im Großherzogtum Hessen Karriere gemacht und wurde dort im März 1848 zum Ministerpräsidenten ernannt. In der Nationalversammlung bekleidete er schließlich für mehrere Monate den Posten des Präsidenten.
Am 18. Mai 1848 wurde die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche eröffnet. Frankfurt gehörte zu diesem Zeitpunkt zu keinem der angrenzenden hessischen Territorien, sondern war eine freie Stadt. Sie beherbergte aufgrund ihrer günstigen Lage im Zentrum des Deutschen Bundes bereits den Bundestag, es war daher naheliegend, auch die Nationalversammlung dort zu verorten. Die Paulskirche verfügte über den größten Saal in Frankfurt und wurde kurzfristig umfunktioniert, der Altar wurde durch ein Rednerpult ersetzt ( HStAD, R 4, 34943Öffnet sich in einem neuen Fenster, Bild oben).
Als die Nationalversammlung den umstrittenen Friedensvertrag von Malmö zur vorläufigen Beendigung des Schleswig-Holsteinischen Kriegs zwischen Dänemark und Preußen nach langen Debatten am 16. September 1848 ratifiziert hatte, brachen in Frankfurt Unruhen aus. Diese eskalierten zu einem spontanen Volksaufstand, es wurden Barrikaden errichtet ( HHStAW, 3011/1, 1785 HÖffnet sich in einem neuen Fenster) und in der Stadt brachen Kämpfe aus, die nur mithilfe des Militärs beendet werden konnten.
Doch auch abseits solcher Vorkommnisse sah sich die Nationalversammlung viel Spott ausgesetzt. Aufgrund eines Mangels an schnellen politischen Erfolgen wurde sie etwa als „Quasselbude“ bezeichnet. Da sie sich vor allem aus akademisch gebildeten Bürgern zusammensetzte, nannte man sie auch „Professorenparlament“. In zahlreichen Karikaturen wurde außerdem die innere Uneinigkeit des Parlaments kritisiert ( HStAD, R 4, 29886 UFÖffnet sich in einem neuen Fenster).
Auch wenn die Märzrevolution letztlich niedergeschlagen und die Nationalversammlung aufgelöst wurde, veränderten die Ereignisse der Jahre 1848/49 die politischen Verhältnisse doch nachhaltig. Die feudale Ordnung wurde endgültig aufgelöst und die Rechtsprechung liberalisiert, die Bevölkerung wurde durch die Gründung von Vereinen und Zeitungen dauerhaft politisch mobilisiert. Die Revolution ist daher ein bedeutsamer Teil der hessischen Geschichte und aus diesem Grund auch durch unser digitalisiertes Archivgut gut dokumentiert.
Sabine Fees, Hessisches Landesarchiv