Telegramm des Jahres 1917, abgesendet aus Dresden. Text: "schauspielhaus ist ab fuenften, opernhaus ab siebenten bis auf weiteres geschloszen = ministerium des koeniglichen hauses." (HStAD, D 8, 136/29)

Energieeinsparung im Winter

Darmstädter Theater stellt 1917 den Spielbetrieb ein

Zwecks Energieeinsparungen hatten die Standorte des Hessischen Landesarchivs die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr 2022 geschlossen. Umso interessanter war es daher, als dem Verfasser dieses Textes Anfang 2023 anlässlich der Vorbereitung einer Übung an der Goethe-Universität Frankfurt eine Akte aus dem Jahr 1917 in die Hände fiel (HStAD, D 8, 136/29Öffnet sich in einem neuen Fenster). In dem dünnen Aktenfaszikel befinden sich mehrere Telegramme, die das Darmstädter Hoftheater, in dessen Gebäude sich heute das Staatsarchiv befindet, von den Bühnen aus Karlsruhe, Stuttgart, Dresden und München vom Februar 1917 erhielt. Darin teilten diese Theater der Darmstädter Generalintendanz auf deren Anfrage hin einhellig mit, dass sie zur Kohlenersparnis den Spielbetrieb eingestellt haben und die Häuser fürs Erste geschlossen blieben. Karlsruhe ging von einer Schließung von ca. 14 Tagen aus, Stuttgart hoffte auf nur eine Woche, München und Dresden aber sprachen von „bis auf Weiteres.“ Auslöser dieser Schließungen war die drastische Kohlennot im dritten Jahr des Ersten Weltkriegs. Dieser Winter 1916/17 ist wegen seiner Hungersnot auch als „Steckrübenwinter“ in die Geschichte eingegangen.

Beginn eines Berichts über die Kohlennot in der Stadt Darmstadt und Vorschlag zur Schließung des Theaters. Briefkopf des Oberbürgermeisters und handschriftliche Vermerke (HStAD, D 8, 136/29)

Der Darmstädter Oberbürgermeister Wilhelm Glässing hatte sich deshalb direkt an die großherzogliche Kabinettsdirektion gewandt. Er hatte erwogen, selbst die Volksschulen zu schließen. „Bezüglich des jetzt schon vorhandenen Grades der Verwahrlosung bei den Volksschulkindern“ aber wurde davon Abstand genommen. Dafür aber war es notwendig, an anderweitige Kohlenvorräte zu kommen, weshalb diese vom Hoftheater der „allgemeinen Disposition“ zugeführt werden sollten. Allerdings war es dann notwendig, das Wasser aus den Leitungen zu entfernen, damit es nicht zu Frostschäden käme. Ob dann aber die Feuersicherheit gewährleistet wäre, bliebe zu überprüfen. Großherzog Ernst Ludwig willigte schließlich ein, dass das Haus für vier Tage geschlossen bleibe, um die entsprechenden Maßnahmen zu prüfen. Leider bricht der Schriftverkehr hier schon ab, so dass zumindest in dieser Akte nicht überliefert ist, wie lange die Schließung des Theaters andauerte. Wahrscheinlich aber mehr als die angesetzten vier Tage..

Die Ausgangsbedingungen und Zeitverhältnisse von 1917 sind natürlich in keiner Weise mit der Situation 2022/2023 zu vergleichen. Trotzdem mag es ernüchternd sein, wie sehr gewisse Entwicklungen doch immer wiederkehren.

Rouven Pons, Darmstadt