Ein geplatztes Wasserrohr, ein Unwetterereignis oder ein Brand – und historische Dokumente sind geschädigt oder schlimmstenfalls unwiederbringlich verloren. Vor allem kleinere Archive sind in Notfallsituationen schnell überfordert. Wiederholt hatten sich die Kommunalarchive im Landkreis Gießen bei ihren Treffen mit dem Thema Notfallplanung beschäftigt, schließlich beherbergen sie ein kulturelles Erbe von regionaler und überregionaler Bedeutung. Um die Unterlagen im Schadensfall zu sichern und bergen zu können, haben sich der Landkreis Gießen und die meisten seiner Städte und Kommunen nun zu einem Notfallverbund zusammengeschlossen. Im Juni trafen sich die Landrätin, Bürgermeister, Beigeordnete und Stadträte im Beisein der Archivarinnen und Archivare im Landratsamt zur Vertragsunterzeichnung. Insgesamt 17 Vertragsparteien sichern sich die gegenseitige personelle und technische Hilfe im Notfall zu. Diese Hilfe betrifft insbesondere die Bergung und Sicherung sowie die Bereitstellung von Ausweichdepotflächen. Die Arbeit wird durch die „Arbeitsgruppe Notfallverbund Archivwesen“ gewährleistet, die die Vertragspartner unter der Federführung des Kreisarchivs Gießen bilden und die sich einmal jährlich und bei Bedarf trifft.
Um direkt erste praktische Erfahrungen in der Notfallvorsorge sammeln zu können, hat die Archivberatung Hessen in Kooperation mit dem Kreisarchiv Gießen am 27.06.2023 eine Notfallübung in der Kreisvolkshochschule Lich durchgeführt. Hieran konnten neben Mitgliedern des Notfallverbundes auch weitere nichtstaatliche Archive teilnehmen. Nach einer theoretischen Einführung in das Notfallmanagement durch Papierrestauratorin Jana Moczarski haben sich die 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Zusammensetzung einer Notfallbox genauer angesehen. Nachmittags schloss sich ein praktischer Teil an: Hierbei konnte die fachgerechte Versorgung nach einem Wasserschaden an Kassanda geübt werden. Durch die Vielzahl unterschiedlicher Materialien wie Akten, Bücher, Großformate, CDs und Fotos konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen guten Überblick gewinnen, wie welche Materialien zu reinigen, einzupacken und zu transportieren sind. Der „Praxistest“ half, Unsicherheiten abzubauen und zeigte auch Schwierigkeiten auf, z.B. in der korrekten Dokumentation des geschädigten Archivguts – und natürlich hatten auch alle viel Spaß.
Sabine Raßner, Kreisarchiv Gießen
Verena Schenk zu Schweinsberg, Archivberatung Hessen