Koloriertes Aquarell: Ein Mädchen blickt auf den Sonnenaufgang hinter einer Hügelkette (HStAM, 340 Grimm, 407)

Ostern im Archiv

Am zweiten Wochenende im April steht dieses Jahr das Osterfest an. Anlass genug, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie sich Ostern im Hessischen Staatsarchiv Marburg niedergeschlagen hat.

Das höchste Fest der Christenheit, in dem die Auferstehung von Jesus Christus nach seiner Kreuzigung gefeiert wird, wird abhängig vom Frühlingsanfang als beweglicher Feiertag begangen. Ostern ist auf den ersten Sonntag nach Vollmond nach Frühlingsanfang festgelegt und variiert aufgrund der Tatsache, dass Mondzyklus und Kalender nicht kongruent sind.

Bei der „Einfachen Suche“ in Arcinsys finden sich bei der Eingabe „Ostern“ zahlreiche Treffer. Dabei fällt auf, dass - neben den Einträgen zu den südhessischen Orten Ober- und Unter-Ostern - vor allem die Urkundenbestände Archivalien zu Ostern enthalten. Bei diesen ist Ostern oft als Frist genannt, an der eine Zins- oder Pachtzahlung fällig wird. In einer Urkunde aus dem Jahr 1079 bestätigt Abt Ruothart von Fulda, dass der Klosterhörige Heriger von Engersgau die Freie Berta aus Heldenbergen (heute Gemeinde Nidderau / Main-Kinzig-Kreis) geheiratet hat und diese sich gleichfalls in die Hörigkeit des Klosters begeben hat. Sie zahlt jährlich an Ostern zwei Pfennige an Zins (HStAM, Urk. 75, 116Öffnet sich in einem neuen Fenster).

Mittelalterliche Urkunde: Der Abt von Fulda bekundet die Heirat des Klosterhörigen Heriger mit der Freien Berta, 1079 (HStAM, Urk. 75, 116)

Auch in einem Vergleich über 40 fl. Schadensersatz durch Landgraf Hermann von Hessen vom 27. Dezember 1386 ist Ostern als Frist angegeben. Bis dahin muss der Landgraf, mit dem sich Reinhard Becker wegen seiner Forderungen auf Ersatz seiner Schäden und Verluste als Immenhausen brannte, verglichen hat, ein Pferd im Wert der genannten Summe geben (HStAM, Urk. 10, 232Öffnet sich in einem neuen Fenster).

Mittelalterliche Urkunde: Reinhard Becker vergleicht sich mit dem Landgrafen Hermann von Hessen, 1386 (HStAM, Urk. 10, 232)

So vielseitig wie diese beiden Urkunden sind auch die weiteren Quellen, in denen Ostern als Zahlungsziel genannt wird, was bis in die Neuzeit gebräuchlich war. Dies gilt auch für andere kirchliche Feste als Termine für eine Zahlungsfrist, wie etwa Michaelis, der 29. September, an dem der Festtag des Erzengel Michaels begangen wurde.

In den Akten finden sich aber auch Vorgänge, in denen die Feierlichkeit des Osterfestes gestört wurde. Noch 1818 klagte der Amtsdiener Möller in Homberg gegen die Schäfer Fröde und Kaufmann wegen Lärm durch das Treiben von Schafen über das Obertor auf die Weide während des Morgengottesdienstes an Ostern (HStAM 330 Homberg, Nr. C 9975Öffnet sich in einem neuen Fenster). Die Klage endete mit einer 24-stündigen Gefängnisstrafe für den Torschließer am Obertor, Hirthe Zülch. Noch heutzutage gilt ein Verbot von Vergnügen und Tanz, allerdings vornehmlich für den Karfreitag. Daher ist es durchaus nachvollziehbar, dass im 17. Jahrhundert das Gesuch einiger Bürger aus der Alt- und Neustadt Hanau, zu Ostern eine Komödie nach dem 3. Kapitel des Buches Daniel aufführen zu dürfen, abgewiesen wurde. Trotz des religiösen Themas war das Theaterstück zu unterhaltsam, um in einer besinnlichen Zeit der Ernsthaftigkeit des Festes gerecht zu werden (HStAM, 86, 29181Öffnet sich in einem neuen Fenster)

Frühneuzeitliches Schreiben: Gesuch um Aufführung eines Theaterstücks an Ostern, 17. Jh. (HStAM, 86, 29181)

In einem heutzutage eher weltlichen Bereich war Ostern lange Zeit auch eine Frist: Da das Schuljahr bis Mitte des 20. Jahrhunderts von Ostern bis Ostern ging, fanden die Abschlussprüfungen in den Schulen zu Ostern statt, so dass sich in der schulischen Überlieferung zahlreiche Akten beispielsweise zu den Abiturprüfungen finden. Für die Oberrealschule Marburg, heute Martin-Luther-Schule, ist neben weiteren die Liste der Oberprimaner überliefert, die 1928 darum ersuchten, zur Reifeprüfung an Ostern zugelassen zu werden (HStAM, 153/15, 413Öffnet sich in einem neuen Fenster)

Titelblatt des Verzeichnisses der Oberprimaner für die Reifeprüfung an Ostern, 1928 (HStAM, 153/15, 413)

Ostern war also aber nicht nur ein Termin für bestimmte Angelegenheiten, sondern war auch das Ende des Winters und somit der Beginn des Frühlings, der die dunkle Jahreszeit verdrängt. Dies schlägt sich auch in der Abschrift eines Gedichtes nieder, das Auguste Grimm (1832-1919), Tochter von Wilhelm und Dorothea Grimm, abgefertigt hat. Auf der Rückseite eines kolorierten Bildes, signiert MvO 1908 (Marie von Olfers, Bild siehe oben), wird die religiöse und weltliche Komponente von Ostern auf fast nicht zu übertreffende, prägnante Weise zsammengefasst:

Ostern
Wacht auf, ihr armen Blümlein,
Es tagt der grosse Sonnenschein,
Der alle Dunkelheit erhellt,
Das ewge Licht, der Trost der Welt.

Eva Bender, Marburg