Historische Postkarte: Sphinx, dahinter die Pyramiden, im Vordergrund Ägypter mit Kamelen

„A big hug from Papa“ oder „Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen."

Greetings from India: Großherzog Ernst Ludwig von Hessen schreibt seiner kleinen Tochter

Dieses sprichwörtliche Zitat von Matthias Claudius (1740-1815) gilt heute wie auch in vergangenen Zeiten. Und so hatte auch Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein (1868-1937) seiner kleinen Tochter Prinzessin Elisabeth von Hessen-Darmstadt (1895-1903) einiges von seiner Reise nach Indien und Ägypten 1902/03 zu berichten. Dazu wartete er aber nicht bis zu seiner Rückkehr, sondern schickte ihr zahlreiche Postkarten, die im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt im Bestand D 24, 39/5 überliefert sind. Anhand der Postkarten lässt sich nicht nur die Reiseroute rekonstruieren und der Blick eines adligen Touristen auf Land und Leute feststellen, sondern auch die liebevolle Beziehung von Vater und Tochter erkennen.

Bereits bei der Abreise im Dezember 1902 hinterließ Ernst Ludwig für seine damals siebenjährige Tochter einen ersten „Gruss aus dem Hessenlande“, nämlich: „Goodbye my darling. God bless you. Papa’s love is always near you, sleeping or walking.“ Dass Ernst Ludwig seiner Tochter auf Englisch schrieb, ist nicht verwunderlich. Ernst Ludwigs Mutter Großherzogin Alice von Hessen und bei Rhein (1843-1878) war eine Tochter von Queen Victoria. Seine erste Frau und die Mutter von Elisabeth war Victoria Melita von Edinburgh (1876-1936). Diese Ehe scheiterte und wurde 1901 geschieden, wobei das einzige Kind, die kleine Elisabeth, bei ihrem Vater blieb. Und dass dieser seiner Tochter sehr zugetan war, lassen die Postkarten von seiner Reise nach Indien mehr als deutlich erkennen.

Ernst Ludwig war seit seiner Kindheit von Indien fasziniert, konkreter Anlass der Reise war aber der „Dehli Durbar“ zur Jahreswende 1902/1903. Dabei handelt es sich um eine Versammlung aller bedeutenden indischen Fürsten und der hohen britischen Kolonialbeamten, um die Thronbesteigung des britischen Königs Edward VII. als Kaiser von Indien zu feiern. König Edward VII. war dabei allerdings nicht persönlich anwesend, sondern schickte seinen Bruder, Herzog Arthur von Connaugt, der zugleich Patenonkel des Großherzogs war. Ernst Ludwig als Neffe des Königs nahm eine Sonderstellung unter den Gästen ein, weshalb für ihn im Anschluss eine mehrwöchige Sight-Seeing-Tour durch Indien organisiert wurde.

Schon auf der Hinreise schickte Großherzog Ernst Ludwig zahlreiche Postkarten an Elisabeth, z.B. „tender kisses“ aus Paris oder ein Bild seines Hotels in Marseille mit Angabe seines Balkons. Dabei wirken die Postkarten fast zeitlos, denn die Themen sind heute wie damals dieselben: Exotische Orte werden den Daheimgebliebenen gezeigt und dazu Angaben zum Wetter und den Reisebedingungen gemacht. Und Ernst Ludwig ist durchaus ehrlich, denn am 16. Dezember 1902 schreibt er über seine Überfahrt nach Indien: „Till now the weather was bad & I was seasick“. In Port Said macht er einen Zwischenstopp und wundert sich über das dortige Sprachwirrwarr. Weihnachten feierte Ernst Ludwig an Bord der „Arabia“ zusammen mit seiner Entourage, die zur Überraschung und großen Freude des Großherzogs sogar einen Weihnachtsbaum mitgebracht hatte! Und Elisabeth hatte jedem eine Weihnachtskarte geschickt (HStAD, D 24, 34/8).

Am 26.12.1902 erreichte Großherzog Ernst Ludwig schließlich Bombay. In seinem Tagebuch schreibt er: „Glücklich bin ich, überglücklich, endlich den Traum, der seit meiner Jugend in mir lebte, erfüllt zu sehen.“ (HStAD, D 24, Nr. 32/2). Am 1.01.1903 berichtet er seiner Tochter begeistert von seinen Eindrücken aus Dehli: „All those many poeple dressed in every colour oft he rainbow. It was lovely. A big kiss from Papa.“ Die Karten sind meist in Schwarz-Weiß, aber damit seine Tochter einen besseren Eindruck bekommt, beschreibt er auch die Farben, wie etwa beim berühmten Taj Mahal (HStAD, D 24, Nr. 39/5, 15.01.1903).

Historische Postkarte: Foto des Taj Mahal, umgeben von den handschriftlichen Grüßen
Schon immer ein beeindruckendes Motiv: Der Taj Mahal bei Agra (HStAD, D 24, 39/5, Bild 96)

Großherzog Ernst Ludwig gehörte bei seiner Reise zu den sogenannten „Gentlemen-Reisenden“, da er sich in Indien vor allem in den „angemessenen“ gesellschaftlichen Kreisen bewegte. Er traf indische Fürsten und hohe britische Kolonialbeamte. Beinahe täglich schickt er seiner Tochter Postkarten mit malerischen Bildern und kurzen, lieben Grüßen. Postkarten mit für Elisabeth exotischen Motiven dokumentieren seine Reise über noch heute klassische Reiseziele in Nordindien wie Benares, Agra mit dem Taj Mahal, Jaipur und Fathepur Sikri. Typisch für das Medium der Postkarte finden sich auf diesen stets nur kurze Grüße, keine ausführlichen Schilderungen der Erlebnisse. Diese hielt Ernst Ludwig in seinem Tagebuch fest, wo er von Jagden und langen angenehmen Gesprächen mit interessanten Menschen, der Landschaft und Architektur sowie auch kulinarischen Genüssen berichtet.

Ende Februar trat Ernst Ludwig schließlich die Rückreise an – machte aber noch einen Zwischenstopp in Ägypten. In Kairo nächtigt er standesgemäß im berühmtesten Luxushotel der Stadt, dem Shephard’s Hotel. Eine Postkarte des Hotels verkündet seiner Tochter am 5. März 1903, was auf einer Ägyptenreise nicht fehlen darf: „Today, I go for a week up the Nile.“ Nicht erst Agatha Christie machte die Nilkreuzfahrt populär, denn per Boot über den Nil waren die wichtigsten Sehenswürdigkeiten am einfachsten und komfortabelsten zu erreichen. Am 11. März 1903 schickt Ernst Ludwig Geburtstagsgrüße auf einer Karte aus Assuan an seine Tochter, zudem besucht er Luxor und Karnak und zum Abschluss natürlich die Pyramiden von Gizeh. Stolz berichtet er Elisabeth am 22. März 1903 von seiner Besteigung der Pyramiden, bei der er ganz schön aus der Puste gekommen sei.

Historische Postkarte: Die Pyramiden vom Nil aus gesehen.
Die Pyramiden "am Ufer des Nils". Inzwischen reicht die Bebauung bis dicht an das Areal (HStAD, D 24, 39/5 Bild 159).

Auf einer späteren Karte zeigt Ernst Ludwig Humor: Immerhin, so berichtet er seiner Tochter, habe man ihn nicht hochziehen und –stoßen müssen! Die von Ernst Ludwig besuchten Orte sind auch heute noch das Standardprogramm für Touristen in Ägypten, nur die Besteigung der Pyramiden ist mittlerweile verboten.

Ernst Ludwig kehrt schließlich über Genua am 3. April 1903 nach Darmstadt zurück. Im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt finden sich nicht nur die Postkarten an seine Tochter Elisabeth (HStAD, D 24, Nr. 39/5), sondern auch das Tagebuch des Großherzogs (HStAD, D 24, Nr. 32/3) sowie fünf Fotoalben von dieser Reise (HStAD, D 27 A, Nr. 90-95).

Auch in den folgenden Monaten schickt Großherzog Ernst Ludwig von seinen Reisen durch Deutschland immer wieder Postkarten mit liebevollen Grüßen an Elisabeth. In einer Karte schreibt er schließlich „Next time you must come with me.“ (HStAD, D 24, Nr. 39/5, 06.08.1903). Im November 1903 begleitete Elisabeth dann tatsächlich ihren Vater zu einem Jagdausflug mit dem russischen Kaiserpaar nach Skierniewice in Polen. Dort starb sie an einer unbekannten Krankheit am 16. November. Ernst Ludwig konnte den Tod seiner geliebten Tochter nur schwer verwinden. Elisabeth wurde in einem silbernen Sarg in einem Extrazug nach Darmstadt überführt und unter großer Anteilnahme der Bevölkerung auf der Rosenhöhe bestattet. Die Darmstädter Kinder setzten ihrem „Prinzesschen“ zwei Jahres später ein Denkmal im Darmstädter Herrengarten, dass dort noch heute zu sehen ist. Ernst Ludwig heiratete 1905 erneut und bekam zwei Söhne aus dieser Ehe. Er wurde 1937 gemäß seinem Wunsch nahe seiner Tochter Elisabeth beigesetzt.

Anna Krabbe, Darmstadt