Kolorierte Zeichnung: Ein Regenbogen, darunter drei Sonnen

Ein Regenbogen mit drei Sonnen

Zu einer Zeichnung von Landgraf Hermann IV. von Hessen-Rotenburg aus dem Jahr 1637

In einem Schreiben an seinen Stiefbruder, Landgraf Wilhelm V. von Hessen-Kassel, berichtete Hermann IV. von Hessen-Rotenburg von einer außergewöhnlichen Himmelserscheinung, die am 19. April 1637 in Kassel beobachtet worden sei. Er legte dem Brief eine kleine farbige Zeichnung bei, die drei Sonnen in einem Regenbogen zeigt. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um sogenannte Parhelia: Diese „Nebensonnen“ sind Lichtflecke, die durch die Reflektion von Licht an Eiskristallen entstehen. Die Haloerscheinungen erwecken den Eindruck, dass neben der eigentlichen Sonne noch weitere Sonnen zu sehen sind.

Hermann IV. von Hessen-Rotenburg war wie sein Vater, Landgraf Moritz der Gelehrte von Hessen-Kassel, und sein Großvater, Wilhelm IV., der Weise, ein außerordentlich gebildeter Mann mit vielseitigen naturwissenschaftlichen und musischen Interessen. Mit einem verkürzten linken Bein 1607 zur Welt gekommen, war er einer militärischen Ausbildung oder höfischen Vergnügungen wie Jagen, Tanzen oder Fechten wenig zugänglich und vertiefte sich neben der Versehung der Regierung- und Verwaltungsgeschäfte in der „Rotenburger Quart“ in linguistische, landeskundliche, mathematische, astronomische und meteorologische Studien (u.a. in dem von seinem Großvater 1560 errichteten Observatorium in Kassel). Überliefert sind Kalender mit detaillierten Aufzeichnungen zu den Witterungsverhältnissen und Beobachtungen zu Planetenlauf und Sternbildern. Ein Exemplar, sein Schreibkalender für das Jahr 1625, ist im Open Repository der Uni Kassel digital verfügbar und enthält neben den kirchlichen Feier- und Namenstagen astronomische und meteorologische Notizen. In der Seite zum Juni vor 398 Jahren trug er bereits am 12. Juni ein, dass dies der längste Tag des Jahres sei…

Schreibkalender mit Tageseintragungen und astronomischen Symbolen
Schreibkalender Landgraf Hermanns aus dem Jahr 1625

Die Aufzeichnungen verwendete er in z.T. anonym erschienenen Publikationen weiter wie im 1637 erschienenen Werk „Teutsche Astrologia, Oder Teutscher Discurß/ Von allerhand Astrologischen Speculationen: Sampt einem Methodo, wie auch die der Lateinischen Sprach unerfahrne und ungelehrte/ sich in diesem sehr lustigen studio üben/ und das tägliche Gewitter auff Astronomische weise observiren und unterscheiden können […]“. Hier macht er die Unterscheidung auf zwischen einer wissenschaftlichen „Astrologia meteorologica“, die sich auf Beobachtungen der Sterne und Wettererscheinungen stützt, und einer „Astrologia genethliaca“, „welches die Kunst ist Nativiteten zu stellen und aus der Gestalt deß Himmels und der Sternen in der geburtsstunde den Lauff und alle Zufälle deß gantzen menschlichen Lebens […] lang zuvor zu verkündigen“, Horoskope also und damit das, was man heute gemeinhin unter Astrologie versteht.

In seinem Brief an Landgraf Wilhelm sind diese beiden Aspekte der astrologischen Beobachtungen erkennbar. Hermann ordnete die Himmelserscheinung als Wissenschaftler, der er war, als „gemeine und recht natürliche sachen […], welche auch nuhr allein mitt dem damahligen wetter undt zugleich auch mitt den aspecten so viel die natur vermag, wohl correspondiren und vernunftlich gewesen“ ein, gab jedoch auch zu bedenken, dass „Gott durch solche gemeine dinge offt viel“ zeige. Als „böß omen“ interpretierte er den Regenbogen mit drei Sonnen jedoch nicht.

Katrin Marx-Jaskulski, Marburg

Leserzuschrift

Zum obigen Artikel erreichte uns folgende Zuschrift:

„Eine kleine Ergänzung zum Schreibkalender Landgrafs Hermann IV.: seine Anmerkung, dass der 12. Juni der längste Tag des Jahres sei, ist nach dem julianischen Kalender richtig! Der gregorianische Kalender (Sommeranfang 22. Juni) wurde im evangelischen Hessen-Kassel erst im Jahre 1700 eingeführt!“