Historisches Foto: Christa Ludwig und Gerhard Misske, 1962 (HHStAW, 3008/1, 41231, Foto: C.W. Harth)

Wohnungssuche einer Sängerin

Zum zweiten Todestag der Mezzosopranistin Christa Ludwig

Die Karriere von Christa Ludwig (1928–2021) begann in Hessen. Ihren ersten öffentlichen Auftritt hatte sie in Gießen, dann wechselte sie an die Oper Frankfurt, von wo sie 1952 an das Landestheater nach Darmstadt wechselte. Dort blieb sie bis 1954. Sie war in Darmstadt als erste Altistin und Spielaltistin engagiert worden, gastierte aber von dort auch regelmäßig bei der „Woche für neue Musik“ im Hessischen Rundfunk oder den Bayreuther Festspielen.

Kurz vor ihrem Wechsel nach Darmstadt richtete sie von Frankfurt aus einen Brief an den Verwaltungsdirektor des Landestheaters in Darmstadt (HStAD, G 55, 300):

Frankfurt, 23.4.52

Sehr geehrter Herr Direktor,

nachdem wir uns bei der Johannes Passion nicht gesprochen haben, möchte ich doch nun heute wegen einer Wohnung mich Ihnen ins Gedächtnis rufen. Ich möchte Sie bitten, mir sehr beizustehen etwas Geeignetes für mich ausfindig zu machen. Durch meine viele Singerei und meinen zukünftigen Hund bin ich ja eine Plage für jede Wirtin, und da ich nicht ewig im Streit leben will, muss ich schon etwas Abgeschlossenes für mich haben. Vielleicht wäre es mögliche eine Ein-Raum-Wohnung zu bekommen oder 2 Zimmer mit Küche? Auf alle Fälle brauche ich Bad. Sie werden sicher denken, daß ich reichlich anspruchsvoll bin, aber es gibt nichts Schlimmeres als ungemütlich wohnen und sein halbes Leben verbringt man ja doch zu Hause. Also helfen Sie mir bitte.

Mit bestem Dank

Ihre Christa Ludwig

Diese heutzutage eher bescheiden anmutenden Wünsche waren angesichts der Wohnungsnot in dem 1944 so stark zerstörten Darmstadt kaum zu erfüllen.

Der Direktor schrieb daher zurück, dass eine alleinstehende Person „ja wohl eine abgeschlossene Zwei-Zimmerwohnung mit Küche und Bad“ nicht erwarten könne. „Es wäre unbillig, von Darmstadt zu erwarten, dass es als Insel in dem deutschen Raum der Wohnungsnot dastünde und dass man sich die Wohnung so ganz nach seinen Wünschen einfach aussuchen könnte. Dazu ist es 1944 doch zu gründlich zerstört worden.“ So harsch und tadelnd diese Antwort auch klingt: Der Direktor versicherte, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um der jungen Sängerin eine Unterkunft zu verschaffen. Wie das Verfahren allerdings ausging, verrät die Akte nicht. Dem Ausstellungsort späterer Datumsangaben aber zufolge, muss sie in Frankfurt wohnen geblieben sein...

Rouven Pons, Darmstadt