Modernes Foto: Mann steht am Rednerpult, hinter ihm rechts eine Präsentationsleinwand

Zwischenanstalten in Hessen – Tagung zu Forschungsprojekt des HIL im Staatsarchiv Marburg

Die Rolle von psychiatrischen Anstalten als sogenannte „Zwischenanstalten“ im Nationalsozialismus wurde auf einer Tagung näher beleuchtet

Am 14. und 15. September 2023 fand die vom Hessischen Institut für Landesgeschichte (HIL) ausgerichtete öffentliche Fachtagung „Zwischenanstalten. Ein besonderer Typus Anstalt im Nationalsozialismus?“ im Staatsarchiv in Marburg statt, zu der unter anderem Staatsministerin Angela Dorn die Grußworte sprach. Die Tagung stieß mit über 70 Teilnehmenden auf reges Interesse. Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Gedenkstättenarbeit und Erinnerungsinitiativen diskutierten mit Studierenden und interessierten Bürgerinnen und Bürgern. Es wurde deutlich, dass die sog. „Zwischenanstalten“ oder „Durchgangsanstalten“ eine weitaus aktivere Rolle im massenhaften Krankenmord des NS-Regimes hatten als lange Zeit anerkannt wurde. Dabei rückten sowohl die Verhältnisse in einzelnen Einrichtungen als auch ihre Zusammenarbeit innerhalb des Tötungsnetzwerkes des „Dritten Reichs“ in den Fokus.

Die Tagung ist Teil eines Projektes, welches die psychiatrischen Anstalten in Eltville, Herborn, Idstein und Weilmünster während des Nationalsozialismus untersucht (hil.hessen.de/arbeitsgebiete/ns-euthanasie-in-hessenÖffnet sich in einem neuen Fenster). Die sog. „Zwischenanstalten“, waren einerseits Durchgangsstation für einen Großteil der im Tötungszentrum Hadamar zwischen Januar und August 1941 Ermordeten. Meist verbrachten die zum Tode Bestimmten in ihnen nur wenige Wochen, bevor sie nach Hadamar abtransportiert und dort im Normalfall noch am selben Tag in als Duschräumen getarnten Gaskammern ermordet wurden. Die „Zwischenanstalten“ wurden nach dem Ende der nachträglich als „Aktion T4“ bekannt gewordenen Mordphase auch selbst zu Orten des massenhaften Sterbens. In einigen Anstalten wurde nun mit Medikamentenüberdosierung gezielt getötet, wurden lebensnotwendige Medikamente nicht mehr oder in nicht ausreichender Menge verabreicht und wurden die Patientinnen und Patienten absichtlich so ausgehungert, dass sie an Entkräftung und Infektionen starben. Diese lokalen Entwicklungen werden in dem Projekt genau untersucht und in die Geschichte des Nationalsozialismus und der Katastrophenmedizin der Kriegsjahre eingeordnet. Bearbeitet wird das Projekt von Dr. Steffen Dörre und Tobias Karl, MA.

Constanze Sieger, Marburg

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