Historisches Schriftstück in gelber, roter, grüner und blauer Tinte

Langweilige Verwaltung kann auch vielfarbig sein!

Über lange Zeit wurden Dokumente v.a. in schwarzer Tinte angefertigt. Dass dem jedoch nicht immer so war, zeigt ein Inventar, in dem bunte Tinte zur Verwendung kam.

Über die unterschiedlichen Schriftarten, Schriftstile und deren Wandel durch die Jahrhunderte ist schon viel geschrieben worden. Auch über die Kunst des Entzifferns, also die Paläographie, finden sich zahlreiche Beiträge. Über farbige Schriften, also präziser Schrift mit farbiger Tinte, gibt es jedoch wenig Erhellendes, was v.a. daran liegt, dass der überwiegende Teil der mit Tinte handschriftlich verfassten Dokumente fast einheitlich in schwarzer oder eher brauner Farbe geschrieben wurde. Während die mittelalterliche Buchmalerei vor allem illustrierende Funktion in aufwändig und farbig gestalteten Werken besaß und mit vielfältigen Pigmenten bisweilen die komplette Farbskala verwendete, wurde bei der Anfertigung handschriftlicher Dokumente in späterer Zeit nur selten auf Tinten zurückgegriffen, die nicht schwarz bis braun waren. Rote Tinte findet sich bisweilen in wichtigen Dokumenten, aber eher sporadisch.

Umso erstaunlicher, dass sich im Hessischen Staatsarchiv Marburg ein Inventar des ausgehenden 17. Jahrhunderts findet, in dem der Schreiber auf eine kleine Palette der Hauptfarben neben Schwarz zurückgegriffen hat (HStAM, 4 b, Nr. 808Öffnet sich in einem neuen Fenster). Das „Inventarium, über Allerhand meübles, welche In das Fürstliche Haus Cassell von Anno 1671 bis in annum 1681 gemacht, verferttiget unnd erkaufft worden“ greift von Gelb über Blau und Rot, mit einem kleinen schwarzen Einschub bis auf Grün zurück und wiederholt diese Farben dann auch in einem kleinen illustrierenden Abschluss (siehe Bild oben).

Handschriftliches Inventar mit Rubriken in bunter Tinte
Rot ist rot, gelb ist gelb, und bunt - ist bunt, auch beim Bettzeug (HStAM, 4 b, 808)

Auch im Inhalt greift der Schreiber auf diese Palette zurück und so wird auch „Bundt gestrickt bette“ im Jahr 1678 in bunt geschrieben, oder auch wenn eine oder zwei Farben vorherrschend waren, wurde auf diese zurückgegriffen.

Handschriftliches Inventar mit farbigen Rubriken
Gold glänzt noch, Silber ist inzwischen schwarz angelaufen... Passende Farben auch bei gold- und silbergewirkten "Stuhl- und Tisch-Teppichen" (HStAM, 4 b, 808)

Neben der gelben als Gold verwendeten Tinte für die Überschriften wurde diese auch für die Seitenzahlen verwendet. Zudem setzte der Schreiber farbige Streiche an der Stelle, wo die entsprechende Farbe bei Stoffen vorherrschte. Das Inventar wurde bis 1699 und schließlich 1701 weitergeführt und ergänzt. Bei diesen Ergänzungen, von einer anderen Hand geschrieben, finden sich die farbigen Elemente nur noch wenig bis gar nicht.

 

Handschriftliches Inventar mit Spiegelstrichen in passenden Farben
Grüne, blaue und rote Teppiche wurden mit passenden Spiegelstrichen markiert (HStAM, 4 b, 808)

Es stellt sich daher die Frage nach der Herkunft der Farben, die im gleichen Zeitraum bisweilen in ähnlichen Dokumenten noch erscheinen. Inventare im herrschaftlichen Kontext wurden in der Regel zunächst vor Ort, also in den entsprechenden Räumen, angelegt, boten noch Gelegenheit zur Korrektur, und dann in einer aufwändigen Version, bisweilen auch mit einem entsprechenden Einband, in ordentlicher Schrift verfasst. Diese boten dabei die Möglichkeit, durchaus auch repräsentativ einen Herrschaftsanspruch zu vermitteln, wie etwa das Inventar des Zeughauses in Kassel aus dem Jahr 1593, bei dem auch rote neben schwarzer Tinte verwendet wurde (HStAM, 40 a Rubr. 13, 625Öffnet sich in einem neuen Fenster, Newsletter 04/2021) .

Der Aufwand der bei dem vorliegenden Inventar mit farbiger Tinte betrieben wurde, ist jedoch ungewöhnlich, zumal dies sicher auch ein Kostenfaktor war. Hatte der Schreiber seine eigene, bunte Tinte? Wenn ja, woher? Wurde sie zufällig aus einer Laune heraus verwendet? Handelt es sich hierbei gar um Reste der alchemistischen Studien des Landgrafen Moritz?

Die Farbigkeit erinnert an die Töne, die bei Majolika verwendet wurden, also Kupfergrün, Antimongelb, Kobaltblau und Manganviolett. Da hier aber keinerlei Verbindung zu hergestellt werden kann, bleibt es weiter unklar, wie es zu dieser farbigen Tinte im Inventar des Schlosses Kassel gegen Ende des 17. Jahrhunderts kam. In Archiven findet sich jedoch auch noch andere farbige Tinte ab der preußischen Zeit. Hier diente sie der Hierarchisierung innerhalb der Verwaltung und gilt bis heute in der „Gemeinsamen Geschäftsordnung der Ministerien“: der Minister verwendet den „Grünstift“, Parlamentarische Staatssekretäre den „Violettstift“, Staatssekretäre den „Rotstift“, Abteilungsleiter den „Blaustift“ und Unterabteilungsleiter den „Braunstift“. Hier hat also jede Position eine eigene Farbe während der Schreiber des Inventars seine eigenen fünf Farben mit Bezug auf die Farbigkeit der inventarisierten Gegenstände verwendet hat.

Sollten sich aus der Leserschaft Hinweise auf andere, entsprechende bunte Tinte aus der Frühen Neuzeit und deren Verwendung oder gar Produktion ergeben, freuen wir uns über Zuschrift an folgende Adresse: pressestelle@hla.hessen.de

Eva Bender, Marburg

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