Ein beliebter Ort für Tourismus und Erholung in Wiesbaden ist der Hausberg „Neroberg“. Von ihm hat man eine prächtige Aussicht auf Stadt und Umgebung. 1881 wurde dort eine „Restauration“, ein Gasthausbetrieb eröffnet. Das Gebäude erlebte im folgenden Jahrhundert und darüber hinaus eine wechselhafte Geschichte und es verwundert nicht, dass es bei seiner interessanten Lage und Vergangenheit des Öfteren zum politischen Streitpunkt wurde. Nicht nur das Stadtarchiv, sondern auch das Hessische Landesarchiv kann mit einem Einblick in die Entwicklung des Naherholungsgebiets Neroberg und somit in einen Teil Wiesbadener Stadtgeschichte aufwarten.
Naherholung in Wiesbaden
Auf zum Neroberg!
Die allerersten Pächter waren die Gebrüder Georg und Bernhard Abler (Pachtvertrag enthalten in HHStAW, 456/45, 60Öffnet sich in einem neuen Fenster). Bezüglich der Ausstattung und Führung des Betriebes machte die Stadt ihnen umfangreiche Vorgaben – immerhin handelte es sich um ein beliebtes Ausflugsziel, das den Ruf der Stadt beeinflussen konnte. Das gesamte Inventar inkl. Möbeln musste einer „besseren Restauration“ entsprechen, in ausreichender Menge vorhanden (sowie reinlich) sein und stets eine angemessene Beleuchtung sichergestellt werden. Die Wirtschaft war das ganze Jahr über offen zu halten und hatte ein hochwertiges Angebot an verschiedenen alkoholischen und alkoholfreien Kalt- und Heißgetränken sowie kalte und warme Speisen anzubieten. Zu Einnahmen in der Stadtkasse verhalf eine Abnahmeverpflichtung von „Regieweinen“, die an der Spitze der Weinkarte aufzulisten und auch sonst in besonders privilegierter Weise anzubieten waren.
Für die Besucher des Nerobergs befand sich vor dem Gebäude ein öffentlicher Brunnen, dessen Reinhaltung ebenfalls zu den Pflichten der Pächter gehörte. Probleme mit dessen Wasserversorgung waren von ihnen bei den Wasserwerken anzuzeigen. Außerdem lag im Restaurant ein Beschwerdebuch für die Kunden aus. Bei Klagen über das Personal konnten die Pächter dazu verpflichtet werden, dieses sofort zu entlassen. Bei Nichteinhaltung der Forderungen drohte die Auflösung des Pachtverhältnisses.
Allerdings hatten die Gebrüder Abler im Gegenzug auch die vertragliche Zusicherung, die Einzigen mit Bewirtschaftungsrecht auf dem Neroberg zu sein, mit Ausnahme von drei Kalendertagen im Jahr.
Der ursprüngliche Zweck der Örtlichkeit änderte sich mit dem zweiten Weltkrieg. Zunächst erfolgte die Nutzung durch NSDAP und Wehrmacht, ab Kriegsende dann durch die US-Streitkräfte als Offizierskasino und Wohnraum. Nach Gründung der Bundesrepublik wurde schließlich immer wieder die Frage laut, ob das Areal (wie manch anderes Hotel) denn nicht wieder freigegeben werden könne ( HHStAW, 502, 486Öffnet sich in einem neuen Fenster). Der Vergleich mit in- und ausländischen Kur- und Fremdenverkehrsorten fiel negativ aus und in der Bevölkerung bestand der Eindruck, die beschlagnahmten Gebäude seien nicht einmal voll ausgenutzt. Schließlich wandte sich der Hessische Ministerpräsident Georg-August Zinn in der Sache schriftlich an den Land Commissioner Dr. James R. Newman, um die Lage zu verbessern. Es sollte sich jedoch bis 1956 nichts ändern, und auch danach waren einige Hürden in Form von Sanierungs- und Renovierungsarbeiten zu nehmen.
Der öffentliche und politische Diskurs lässt sich gut anhand zahlreicher Zeitungsartikel nachvollziehen. So z.B. bezüglich der Jahre 1966-1970 im Bestand des Wirtschaftsministeriums ( HHStAW, 507, 10030Öffnet sich in einem neuen Fenster) und der Jahre 1978–1989 im Bestand des Forstamts Hahn ( HHStAW, 456/58, 646Öffnet sich in einem neuen Fenster). Bei dem großen Fragezeichen zur weiteren Verwendung trugen verschiedene Firmen Ihre Ideen für den Neroberg vor. Ein Freiflächengestaltungsplan aus dem Jahr 1983 ist mit zahlreichen Karten und Dokumenten zur Freiflächennutzung überliefert ( HHStAW, 456/58, 647Öffnet sich in einem neuen Fenster). Im Detail reicht dies bis hin zur detaillierten Auflistung von ca. 430 Bäumen jeweils mit Baumnummer, Baumart, Stammdurchmesser sowie Stammumfang, deren Fällung in Erwägung gezogen wurde. Diese Daten wurden dann zur Baumwertermittlung herangezogen.
Aber auch japanische Investoren brachten sich ins Spiel – was die Bevölkerung nicht sonderlich begeisterte ( HHStAW, 456/58, 646Öffnet sich in einem neuen Fenster). Die ausgiebige Diskussion um das sogenannte „Japan-Projekt“ riss erst ab, als die Investoren schließlich Ihren Vorschlag wieder zurücknahmen.
1986 kamen durch einen Brand des Gebäudes weitere Schwierigkeiten hinzu – und es sollte nicht der einzige bleiben. Das Feuer war dabei von der Stadt aus zu sehen, da es die Nacht hell erleuchtete. Eines von zahlreichen Konzepten, die nun mit der Ruine umzugehen suchten, stellte sich den Neroberg mit Planetarium und Botanischem Garten vor, was letztendlich aber nicht umgesetzt wurde. Was dann vom altbekannten Traditionsträger übrig blieb, war lediglich der untere Teil des Turms. Klein aber nach wie vor fotogen erinnert er an das, was einmal dort stand. Auch für eine Rastmöglichkeit und leibliches Wohl wird heute wieder zu Fuße dieses Turms gesorgt.
Susanne Wichert, Wiesbaden