In der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde (ZHG Nr. 128 (2023)) schrieben Mehtap Ergenoğlu und Michael Knuppel einen fünfseitigen Beitrag über ein angebliches Akkreditiv der Gesandtschaft des Šāhs Abbā I. des Großen an Landgraf Moritz den Gelehrten von Hessen-Kassel in den Beständen der Handschriftenabteilung der Murhardschen Bibliothek Kassel (S. 13-18). Die Murhardsche Bibliothek verwahrt gerade in ihrer Handschriftenabteilung Dokumente, die durchaus auch im Staatsarchiv Marburg zu vermuten wären, so dass dieser Artikel aufhorchen lässt, zumal er am Ende quasi den Ball aus Kassel nach Marburg spielt. Da zudem während des vor knapp drei Monaten stattgefundenen Tags der Archive (3.3.2024) die dazugehörige Akte Teil einer Führung zu den internationalen Beziehungen in den Beständen des Staatsarchivs Marburg war, lohnt es sich, diesen Pass anzunehmen.
Doch worum geht es? Die beiden Autoren der oben genannten Miszelle beschäftigen sich mit der Handschrift 2°Ms.Hass. 268, die den Titel: „Schreiben einer Gesandtschaft des Schahs von Persien an Landgraf Moritz von Hessen“, trägt und der dazu notierten Sprache „Persisch“.
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Dieses Stück gilt als eines der bedeutendsten unter den Kasseler Orientalia, Grund genug sich diesem intensiver zu widmen. Mehtap Ergenoğlu und Michael Knuppel weisen aber auf die Probleme mit diesem Stück hin, zu dem neben dem Schreiben noch eine Übersetzung, ein seidenes Futteral, in dem sich das Akkreditiv befand, und anderes gehören: Das Schreiben ist weder aus der Zeit der Șafawiden-Herrscher Anfang des 17. Jahrhunderts noch auf Persisch. Das Dokument ist ein osmanischer Brief, den die Autoren in das ausgehende 17. Jahrhundert datieren, in dem es um einen Gefangenenaustausch geht. Es stellt sich daher die Frage, wo das eigentliche diplomatische Dokument geblieben ist.
In HStAM 4 f Staaten P, Nr. Persien 1Öffnet sich in einem neuen Fenster: „Unter der Führung des Engländers Anton Scherley beim Landgrafen erschienene und von diesem unter Begleitung des Geh. Rats Joh. v. Bodenhausen an den kaiserl. Hof nach Prag abgefertigte Gesandtschaft des Schahs von Persien…, 1600“, befindet sich gleich zu Beginn ein Umschlag mit dem Titel „Persisches Creditiv (nur Beutel und Reponierungsvermerk; das Schreiben fehlte 1880 9/8“. Der Reponierungsvermerk ist auf den 5. Januar 1608 datiert. Irgendwann zwischen 1608 und 1880 ist also das eigentliche Akkreditiv aus der Marburger Akte entfernt worden, während der aus schillernder Seide bestehende Beutel mit drei Farben noch vorhanden ist.