Selbstverständlich hat sich eine Verwaltung an Recht und Ordnung zu halten. Die folgenden Darstellungen sollen aber beispielhaft dafür stehen, wie zynisch eine Verwaltung wird, wenn sie sich auch dann noch an „Recht und Ordnung“ hält, Handlungsspielräume nicht nutzt und verschleiernde, beschönigende Sprachregelungen reproduziert, obwohl das Recht längst schon zu Unrecht wurde. Die dargelegten Fälle aus den Finanzämtern Korbach und Fritzlar-Homberg könnten sich so oder ähnlich auch in anderen Finanzämtern oder anderen Behörden zugetragen haben, ganz zu schweigen von Handlungen und Haltungen jenseits der behördlichen Institutionen.
Edmund Mosheim, geboren am 6. Februar 1886 in Korbach, führte seit 1922 zusammen mit seinem Bruder Ludwig in Korbach das väterliche Handelsgeschäft in seiner Geburtsstadt. Aufgrund der immer stärker werdenden (nicht nur) fiskalischen Repression, musste das Geschäft im Dezember 1938 aufgegeben und 1941 eines der beiden Häuser der Mosheims in Korbach verkauft werden. Nach langem Zögern entschloss sich Mosheim, der zu diesem Zeitpunkt Vorsteher der jüdischen Gemeinde Korbach war, wohl im Jahr 1942 zur Emigration. Das Finanzamt Korbach bestätigte der „Bezirksstelle Mitteldeutschland der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland” am 20. Mai 1943, dass die dafür zu zahlende Reichsfluchtsteuer im Vormonat von einem Sperrkonto freigegeben und an eine Berliner Bank überwiesen worden sei.
Zu diesem Zeitpunkt war dem Finanzamt Korbach schon amtsbekannt, dass Mosheim nicht mehr fliehen konnte, sowie, dass er inzwischen gänzlich vermögenslos war. In einem Aktenvermerk des Finanzamts vom 28. Januar 1943 heißt es: „Der Jude Edmund Israel Mosheim, Korbach… ist im September 1942 von Kassel nach Theresienstadt umgesiedelt. Sein Vermögen ist mit diesem Tag dem Reich verfallen.“ Vorher schon, nämlich am 16. Juli 1942 wurde Edmund Mosheim unter Gewaltanwendung nach Kassel verschleppt. Am 7. September 1942 wurde er weiter nach Theresienstadt deportiert und von dort am 09. Oktober 1944 nach Auschwitz, wo er wohl am 12. Oktober 1944 ermordet wurde.
Für einige Zeit diente das konfiszierte „Herrenzimmer“ Edmund Mosheims dem Vorsteher des Finanzamts Korbach als Einrichtung seines Amtszimmers. Als der Treuhänder der Erben Mosheims am 12. Oktober 1946 die Rückgabe einforderte, reagierte der kommissarische Vorsteher schnell und händigte die Möbelstücke zwei Tage später, am 14. Oktober 1946, einem Beauftragten des Treuhänders aus.