zwei Frauen, links eine Frau in blauem Kleid mit Federgeschmücktem Hut und einer Rose in der Hand, rechts eine Frau mit braunen Haaren in einem braunen, leichten Kleid

Briefe von Königin Marie-Antoinette im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt

Im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt werden Briefe der französischen Königin Marie-Antoinette an die Großherzogin Luise Henriette von Hessen-Darmstadt aufbewahrt. Was verraten uns die Inhalte dieser Briefe?

Am 16. Oktober jährt sich der Tag der Hinrichtung der ehemaligen französischen Königin Marie-Antoinette (1755 – 1793) zum 232. Mal. Im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt befindet sich ein Briefwechsel zwischen ihr und der Großherzogin von Hessen-Darmstadt und bei Rhein, Luise Henriette Karoline von Hessen-Darmstadt (1761 – 1829). Die Überlieferung beginnt 1780 und endet im Juli 1792 kurz vor der Inhaftierung der königlichen Familie im Pariser Temple.

Wie kam es zu dieser Verbindung? Im Alter von 14 Jahren wurde Erzherzogin Maria-Antonia mit dem Dauphin von Frankreich, Louis Auguste, dem späteren Louis XVI. (1754 – 1793) verheiratet und wurde seitdem Marie-Antoinette genannt. Die Hochzeit zwischen dem Haus Habsburg und den französischen Bourbonen galt als das prestigereichste Heiratsprojekt der österreichischen Kaiserin bzw. Mutter Maria-Antonias, Maria-Theresia (1717 – 1780) und sollte die uralte Erbfeindschaft zwischen den beiden Häusern zu einer glanzvollen Allianz umkehren („Renversement des Alliances“). Als sich Maria-Antonia im Mai 1770 zur letzten großen Brautfahrt des 18. Jahrhunderts von Wien aus auf den Weg nach Versailles machte, gehörte auch die zu diesem Zeitpunkt erst 9 Jahre alte Luise Henriette zur illustren und riesigen Reisegesellschaft, bei der sie sich offenbar kennenlernten. 

Gemälde einer jungen Frau in einem hellen, mit Blumen geschmücktem Kleid, in der Hand einen Brief
Portrait der Luise Henriette von Johann Friedrich Dryander

Geboren in Darmstadt als Tochter des Landgrafen Georg Wilhelm von Hessen-Darmstadt (1722 – 1782) und der Marie Luise Albertine, Gräfin zu Leinigen-Dagsburg-Heidesheim (1729 – 1818), wurde Luise Henriette 1777 mit ihrem Vetter Ludwig, Erbrinz von Hessen-Darmstadt verheiratet. Seit 1790 amtierte er als Landgraf in Hessen-Darmstadt, 1806 wurde er zum Großherzog von Hessen und bei Rhein. Das Ehepaar setzte sich in Darmstadt stark für das kulturelle Leben ein und prägte die dortige Theater- und Musikszene. Eine Gemeinsamkeit, die Luise mit ihrer königlichen Freundin, Marie-Antoinette teilte.

Die Ehe zwischen Luise Henriette und Ludwig wird als freundschaftlich-partnerschaftliche Beziehung (Eckhart G. Franz) beschrieben, gleichwohl mindestens drei ihrer Söhne außerehelich geboren wurden. Hier verbindet sie wieder eine Gemeinsamkeit mit Marie-Antoinette, welcher mehrere Affären (zumeist in der vor- und revolutionären Publizistik) nachgesagt wurden und von der zumindest die vermeintliche Liebschaft zum schwedischen Grafen Hans-Axel von Fersen (1755 – 1810) seitens der Forschung als am wahrscheinlichsten gilt. Nach der Französischen Revolution wandte sich Luise zunächst gegen Napoleon, die Landgrafschaft bekannte sich jedoch 1806 zu Frankreich. 1829 verstarb die Großherzogin in Darmstadt.

Auch nachdem aus Maria-Antonia zunächst die Dauphine Marie-Antoinette und 1774 die Königin von Frankreich wurde, blieben die beiden Fürstinnen offenbar gute Freundinnen. Die von Marie-Antoinette an Luise Henriette geschickten und im Staatsarchiv Darmstadt aufbewahrten Briefe 
(HStAD Best. D 4, Nr. 624/2Öffnet sich in einem neuen Fenster) zeugen davon.

Der Briefwechsel schien erstaunlich dicht zu sein, denn die Abstände zwischen den Briefen der Königin an Luise Henriette reichen von wenigen Monaten bis zum Teil nur wenigen Wochen. Nicht überraschend gab es überwiegend Nachfragen zum Gesundheitszustand und liebevolle Grüße an den Gatten der Erbprinzessin und an weitere Verwandte. An einigen Stellen erhalten wir Einblicke in das höfische und familiäre Leben, an anderen Stellen wiederum lässt uns Marie-Antoinette an ihrem Gemütszustand teilhaben. Politische Inhalte oder Ereignisse werden dagegen nur wenig bis gar nicht offen thematisiert.

Schwarz-Weiß Digitalisat zweier Briefe, handgeschriebener Text mit Feder auf Papier
Ausschnitt zweier Briefe Marie-Antoinettes an Luise Henriette vermutlich um 1782 (HStAD Best. D 4, Nr. 624/2)

Doch wovon handeln die Briefe der französischen Königin an die Darmstädter Erbprinzessin?

Im Jahr 1780 befand sich das Erbprinzenpaar z. B. auf einer Reise nach Paris und nutzte die Gelegenheit offenbar für einen Besuch in Versailles. Dieser trug sich vermutlich im Mai oder Juni des Jahres zu, der dazugehörige Brief von Marie-Antoinette enthält kein Datum, jedoch lässt sich im Ceremonialbuch des Großherzoglichen Hausarchivs eine Reise des Paares für diesen Zeitraum nachweisen. In dem Brief lädt Marie-Antoinette das befreundete Paar aus Darmstadt bei bestem Wetter in ihren Garten ein. Gemeint ist hier vermutlich die Gartenanlage rund um das kleine Lustschlösschen Petit Trianon, in das sich die Königin von der strengen Hofetikette in Versailles zurückziehen konnte und in dessen Umgebung sie ab 1783 einen kleinen, künstlichen Bauernhof, das Petit Hameau de la Reine errichten ließ, wo sie nach ihren Vorstellungen und fern der Realität das „einfache“ Landleben nachstellte. 

Foto eines Bauernhauses und eines Turms, davor ein kleiner See
Das Petit Hameau de la Reine, Marie-Antoinettes künstlicher Bauernhof in den Gärten von Versailles

Wenige Monate nach dem Besuch, berichtete Marie-Antoinette im März 1781 mit großer Freude, dass sie schwanger sei und sich seitdem hervorragend fühle: „Je me trouve grosse de deux mois, et en outre je me porte à merveille depuis cette époque“. Erstaunlich ist, dass sie sich hier bereits im zweiten Monat ihrer Schwangerschaft sicher war und dies auch verkündete, wohingegen sie bei einer späteren 1786 lange daran zweifelte. 1781 stand Marie-Antoinette erheblich unter Druck, denn ihre primäre Aufgabe als Ehefrau und Königin bestand darin, Frankreich einen Thronfolger zu bescheren. Erst nach acht Jahren Ehe kam 1778 ihre erste Tochter zur Welt, drei weitere Jahre sollte es bis zur nächsten Schwangerschaft dauern. Luise Henriette schien sehr zuversichtlich zu sein und prophezeite der Königin den langersehnten Erben, was aus dem Brief Marie-Antoinettes vom 7. Mai 1781 hervorgeht: „Votre sorcellerie est bien aimable de me prédire un garçon. J‘y ai beaucoup de foi et je n’en doute nullement.“ Auch Marie-Antoinette zweifelte nicht an dieser Vorsehung. Beide sollten mit ihrer Einschätzung Recht behalten – Im Oktober 1781 wurde der Thronfolger Louis-Joseph geboren, der jedoch 1789 verstarb. 1785 erblickte mit Louis-Charles ein weiterer Sohn das Licht der Welt, 1786 folgte Sophie-Hélène-Béatrix, die aber nur wenige Monate überlebte. Über den Verlust ihrer Tochter erfahren wir ebenso in einem Brief, den sie nur wenige Wochen nach deren Tod an Luise Henriette verfasste. So schreibt sie darin: „Malheureusement, presque depuis sa naissance je m'y attendois, cette enfant n'ayant jamais profité ni avancé pour son âge.“ Marie-Antoinette hatte bereits mit dem baldigen Tod ihrer Tochter gerechnet, da sie sich von Geburt an kaum entwickelt habe. Letztlich erreichte nur die erstgeborene Marie-Thérèse das Erwachsenenalter. Louis-Charles kam im Zuge der Revolution 1795 während seiner Gefangenschaft im Temple zu Tode.

Gemälde einer Frau in einem hellen Kleid mit federgeschmücktem breiten Hut, in der Hand eine Rose haltend
Das berühmte Skandal-Portrait von Elisabeth Vigée-Lebrun zeigt Marie-Antoinette in "natürlicher" Kleidung. Die Königin schenkte es Luise Henriette 1783

Aus der Revolutionszeit sind vier Briefe zwischen 1790 und 1792 erhalten. Die Abstände zwischen den Briefen sind hier deutlich länger, was auf die sich stetig verschlechternde Situation der königlichen Familie hindeutet. In den Briefen selber gibt es einige Andeutungen seitens der Königin über deren Lage, etwa wenn Sie schreibt, dass sie ihre Briefe nicht mehr in die reguläre Post geben mag und auf Boten warte, die Richtung Deutschland reisen. Anscheinend gab es auch die Idee seitens Luise Henriettes, die Königin und die Kinder aus den Tuilerien in Paris, die sie seit 1789 bewohnten, zu befreien, was Marie-Antoinette in ihrem letzten Brief an die Großherzogin (vermutlich) vom Juli 1792 jedoch ablehnte. In diesem Brief werden die verzweifelte Lage der Königin und gleichzeitig aber auch ihre Entschlossenheit deutlich, das Land nicht zu verlassen und dem Schicksal mit Mut zu begegnen. Der Bote des Briefes sollte Luise Henriette schließlich mehr über die Lebensumstände der königlichen Familie in den Tuilerien aufklären. Offenbar schien auch Marie-Antoinette geahnt zu haben, dass es sich hier um ihren letzten Brief an Luise Henriette handeln könnte, denn sie verabschiedet sich mit einem „Lebewohl“ („Adieu“), was sie zuvor nie tat und gibt an, dass man ihr alles genommen habe, außer ihrem Herzen. Am Ende bekräftigt sie, stolzer denn je darüber zu sein, als Deutsche geboren worden zu sein („Je me sens plus que jamais enorgueillie d’être née Allemande“).

Nur wenige Monate später, im August 1792, wurden die Tuilerien vom Volk gestürmt, die Monarchie abgeschafft und die königliche Familie im Temple inhaftiert. Nachdem Louis XVI. bzw. mit bürgerlichem Namen Louis Capet genannt, am 21. Januar 1793 enthauptet wurde, trennte man Marie-Antoinette von ihren Kindern und brachte sie in die Conciergerie. Neun Monate nach ihrem Mann starb auch sie unter der Guillotine.

Jan-Hendrik Evers, Hessisches Landesarchiv

 

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