Schreibkalender mit Tageseintragungen und astronomischen Symbolen

Euch ist ein neuer Kalender geboren

Im Jahr 1582 verordnete Papst Gregor XIII. der Christenheit eine Kalenderreform. Die protestantischen Landgrafen von Hessen waren nicht überzeugt.

Der seit 46 v. Chr. genutzte julianische Kalender hatte einen zentralen Fehler: Das Kalenderjahr war im Verhältnis zum tatsächlichen Sonnenjahr um etwa 11 Minuten zu lang. Im Laufe von mehreren Jahrhunderten summierten sich diese Minuten zu einem großen Problem, denn dadurch verschob sich auch der in seiner Berechnung an den astronomischen Frühlingsanfang gebundene Ostertag, der zentral für den christlichen Festkalender war. Im 16. Jahrhundert betrug der Unterschied zwischen kalendarischem und astronomischem Frühlingsbeginn bereits 10 Tage. Ostern wurde zum falschen Zeitpunkt gefeiert, in der Karwoche wurde Fleisch gegessen und in der Osterwoche gefastet.

Nach mehreren Reformansätzen seit dem 14. Jahrhundert verkündete Papst Gregor XIII. im Februar 1582 schließlich eine neue Kalenderrechnung mit einer verbesserten Schaltjahresregelung. Um die bisherige Verspätung zu korrigieren, sollten im Oktober des Jahres 1582 10 Kalendertage ausfallen, auf den 4. Oktober sollte direkt der 15. folgen. Man hatte sich für den Monat Oktober entschieden, da er verhältnismäßig wenige Heiligenfeste enthielt, die durch die Auslassung ausfallen mussten.

Da es sich um einen päpstlichen Erlass handelte, bei dem der konfessionelle Herrschaftsanspruch inbegriffen war, war der Aufschrei unter den Protestanten groß. Es erschienen zahllose Streitschriften zum Thema, die protestantischen Fürsten tauschten eifrig Meinungen und Argumente gegen den „päpstlichen Kalender“ aus. Auch Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel und seine Räte sprachen sich klar und teilweise polemisch gegen die Kalenderreform aus. In einer Sammlung von Schreiben und Briefwechseln zu diesem Thema (HStAM, Best. 4 i, Nr. 131) findet sich auch folgendes Lied, das laut einer Notiz von Landgraf Georg (I. von Hessen-Darmstadt) kommuniziert wurde:

Auf Papier gedruckter Kalender in alter Schrift
Der neue Kalender für die Monate Oktober bis Dezember 1582 (aus: HStAM, Best. 4 i Nr. 131)

Ein Kinderlied von der Geburt des neuen Kalenders, 1583


1. Vom Himmel nieder, da komm ich her, 
Ich bringe euch gute neue Mär,
Der guten Mär bring ich so viel,
Davon ich singen und sagen will.

2. Euch ist ein neuer Kalender geborn
Vom Papst Gregorio auserkorn,
Ein Kalender von heimlicher Art so fein,
Der solle euer Freud und Ruhme sein.

3. Es ist der Herr Papst, euer Gott,
Der will euch führen aus aller Not,
Er will euer Heiland selber sein,
Von Ordnung des Reichs ganz mach rein.

4. Er bringt euch alle Seligkeit,
Die euch zu Rom ist zubereit,
Dass ihr zu euerm Himmelreich,
Sollt leben nun und ewiglich.

5. So merket nun das Zeichen recht,
Die päpstlichen Fürsten alle schlecht,
Haben dem Papst die Füße geküsst,
Und sich auf diesen Kalender gerüst.

6. Des lasst uns alle fröhlich sein,
Mit Pfaffen, Mönchen, Nönnelein,
Zu sehen, was Gott von Rom beschert,
Mit seinem lieben Kalender verehrt.

7. Merke auf mein Herz und siehe hinaus,
Was liegt doch im Jesuiten-Haus,
Wessen ist das schöne Psalterlein,
Es ist das liebe Kalenderlein.

8. Bist willkommen, du viel edler Gast,
Mich, Deutschland, nicht verschmähet hast,
Und kommst mit Demut her zu mir,
Wie soll ich immer danken dir.

9. Ach Papst, du Vater aller Ding,
Wie bist du worden so gering,
Dass deine Kron auf einem Kalender liegt,
Von alten Lumpen zugericht.

10. Und wäre die Welt vielmal so weit,
Von Kaisern und Königen zubereit,
So wäre sie dir doch nicht genehm,
Noch deinem heiligen Stuhl bequem.

11. Das Schwert, der Hut und Pantoffeln dein,
Die sind jetzt ein Kalenderlein,
Darauf du König, so groß und reich,
Herprangest als wär es dein Himmelreich.

12. Das hat also gefallen dir,
Die Wahrheit anzuzeigen mir,
Wie aller Fürsten Ehr und Gut,
Für die nichts gilt, nichts hilft noch tut.

13. Ach, mein liebes Kalenderlein,
Mach dir ein rein sanfts Bettelein,
Zu ruhen in Deutschland also lang,
Bis Friede und Ruhe habe Not und Drang.

14. Davon der Papst recht fröhlich sei,
Zu springen, singen, immer frei,
Das rechte Kruzifixe schon,
Mit Herzenslust den römischen Ton.

15. Lob, Ehr sei dir, du römischer Gott,
Dem alle Kaiser sind ein Spott,
Und was sie vor vielen hundert Jahren,
Ins Reich gebracht und ordnet haben.

16. Daraus alle Welt, von Jungen und Alt,
Zu Narren werden und gespalt,
Gleich wie der Turm zu Babylon,
Mit irrigen Zungen kam zu Hohn.

17. Das Papsttum darin verborgen liegt,
Das ist zum andern Zweck gericht,
Des freuen sich der Jesuiten Schar,
Und singen uns solch Neues Jahr.

Die Weigerung der protestantischen Fürsten, die gregorianische Reform zu übernehmen, führte letztlich dazu, dass für die nächsten Jahrzehnte in Kalendern und Briefen jeweils zwei Datierungen angegeben werden mussten. Ein Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Kalenderreform gab es aber durchaus auch auf protestantischer Seite, und so beschlossen die evangelischen Reichsstände 1699 schließlich ebenfalls eine Reform des Kalenders. Der neue Kalender galt in der Landgrafschaft Hessen-Kassel ab dem Jahr 1700.

Sabine Fees, Marburg

Schlagworte zum Thema