Fotografie eines mit Bäumen umrandeten Sees, im Hintergrund ein Schloss mit einem hohen Turm

Ungehobene Schätze - Erste systematische Aussonderung

In einem Großprojekt wird die seit vielen Jahrzehnten aufgebaute, komplette Altregistratur der Staatlichen Schlösser und Gärten durch das Hauptstaatsarchiv Wiesbaden bewertet.

Unberührte Natur, plätschernde Bäche und verwunschene Gebäude aus längst vergangenen Zeiten. So oder so ähnlich beginnen Dokumentationen über kaum bekannte Naturlandschaften oder Kulturen. Mit dem Arbeitsalltag im Referat Überlieferungsbildung des Hauptstaatsarchivs hat diese Idylle zunächst wenig gemein, doch bei einer Bewertung in Bad Homburg erlebten wir genau das. Weitab des Dienstorts Wiesbaden gelangten wir durch den kunstvoll gestalteten Schlosspark mit jahrhundertealten Zedern und der Orangerie zum Schloss Bad Homburg, in welchem Landgrafen und später auch Kaiser residierten.

Seit der frühen Nachkriegszeit werden durch die Staatlichen Schlösser und Gärten aktuell 48 bauliche Kulturdenkmale in ganz Hessen betreut. Von eher kleinen Bauwerken, wie etwa dem Zeppelindenkmal in Trebur, bis hin zu größeren Schlossanlagen wie etwa in Weilburg.

Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass die Staatlichen Schlösser und Gärten wesentlich über das Wohl und Wehe außerordentlich wichtiger und nach außen sichtbarer hessischer Kulturschätze wachen. Sie gestalten somit das Bild der hessischen Kulturlandschaft.

schwarz-weiß Foto von zwei gemauerten abgerundeten Türmen, die mit einer Mauer verbunden sind auf der eine Plakette mit dem Namen "Graf Zeppelin" zu lesen ist. Unter dem Bild steht "Zeppelindenkmal (Gemarkung Kornsand) 13.9.1955
Eines der kleineren betreuten Denkmäler: Das Zeppelindenkmal am Kornsand in Geinsheim (Gemeinde Trebur), welches an die Notlandung eines Zeppelins im August 1908 erinnert (HStAD Best. R 4, Nr. 7703)

In den staatlichen Archiven sind die Hintergründe dieser Arbeit jedoch noch sehr rudimentär dokumentiert. Unser Bestand 547 „Verwaltung der staatlichen Schlösser und Gärten“ umfasst weniger als zehn laufende Meter und wird nur durch einige wenige Archivalien aus anderen korrespondierenden Behörden ergänzt. Eine strukturierte Aussonderung und Anbietung an das Hauptstaatsarchiv fand demnach in all den Jahren nicht statt.

Obwohl bei der Schlösser- und Gärtenverwaltung keine Massenverfahren, wie wir sie etwa in der Justiz oder der Finanzverwaltung kennen, geführt werden, sammelte sich auf diese Weise in fast 80 Jahren Tätigkeit eine große Menge unterschiedlichster Unterlagen an. Diese fanden ihren Platz in einem hohen Gewölbekeller unter dem Schloss, wohlgeordnet in Regalen. Etwa 700 laufende Meter verteilen sich auf verschiedene Unterlagenarten, vom Fahrtenbuch über Personalakten bis hin zu Akten zu den einzelnen betreuten Gebäuden, zur Öffentlichkeitsarbeit oder zu Publikationsprojekten.

Dies zu ändern und einerseits – trotz zunehmender Digitalisierung – wieder freie Registraturflächen für zukünftige Unterlagen zu schaffen sowie anderseits eine gute archivische Überlieferung im Hauptstaatsarchiv zu bilden, ist das gemeinsame Ziel der Staatlichen Schlösser und Gärten und des Hessischen Landesarchivs.

Zwei schwarz-weiß Aufnahmen von einer  Wand mit einer Vasenskulptur in Schloß Weilburg links vor der Restaurierung und rechts nach der Restaurierung
Fotodokumentation von durch den Berliner Restaurator Alfred Sommerfeld im Jahre 1953 in der südlichen Orangerie des Schlosses Weilburg durchgeführten Restaurierungsarbeiten. Foto aus HHStAW Zugang 103/2021 (unverzeichnete Akte „Inventarangelegenheiten 01.04.1953 – 31.03.1954“)

Wir Archivarinnen und Archivare trafen auf einen weitgehend geschlossenen, bislang organisch gewachsenen Unterlagenbestand. Da ein genaues Verzeichnis aller Akten nicht existiert und für die große Menge mit vertretbarem Aufwand nicht erstellt werden kann, ist eine Bewertung am Regal mittels Aktenautopsie unumgänglich. Eine solche Bewertung ist mit dem Nachteil verbunden, dass sie gewisse zeitliche Ressourcen erfordert. Sie besticht aber durch den Vorteil, dass die Auswahl der archivwürdigen Unterlagen aus einem nahezu vollständigen Gesamtbestand erfolgen kann. So ist es möglich die Arbeit der Behörde historisch und inhaltlich in ihrer ganzen Breite unmittelbar zu erfahren und bei der Bewertung zu berücksichtigen.

Dies wird jedoch noch etliche Bewertungstage erfordern, aber der Beginn ist nun gemacht, um uns vorerst von diesem idyllischen Ort verabschieden und sagen zu können: Das Kassable ist vernichtet, das für den Dienstgebrauch noch notwendige steht greifbar in der Dienststelle und das historisch Wertvolle findet sich als Archivgut im Hauptstaatsarchiv Wiesbaden.

Elias Miorandi, Wiesbaden

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