handschriftlicher Eintrag auf Papier

Little Lord Fauntleroy

Auf seinem Siegeszug um die Welt hinterließ der kleine Lord auch Spuren im Staatsarchiv Marburg

Alle Jahre wieder kommt nicht nur das Christuskind, sondern auch das (vor-)weihnachtliche Fernsehprogramm in die heimischen Wohnzimmer. Schon Wochen vorher kann man Sendetermine im Internet abrufen und so sein Programm fast minutiös planen. Dabei bringen nicht nur die Kaiserin von Österreich (in diesem Jahr nicht ganz so präsent wie zuvor), Kevin, wie immer allein zu Haus, die Hoppenstedts und – vor allem unvermeidlich – Aschenbrödel das geneigte Fernsehpublikum in Weihnachtsstimmung. Zum vorweihnachtlichen Filmkanon gehört seit den 1980ern auch „Der kleine Lord“, der regelmäßig am Freitag vor Weihnachten zu sehen ist. 

vor rotem Hintergrund das Titelbild zum Buch "Little Lord Fauntleroy"
Cover der ersten Ausgabe des „Little Lord Fauntleroy“ aus dem Jahr 1886

Populär war die literarische Vorlage schon ein Jahrhundert bevor Ricky Schroder mit hellblondem Pagenschnitt und im Samtanzug mit Spitzenkragen über die Bildschirme flimmerte. Zwischen 1885 und 1886 erschien „Little Lord Fauntleroy“ als Fortsetzungsroman der Autorin Frances Hodgsen Burnett im St. Nicholas Magazine, einer amerikanischen Kinderzeitschrift. Nach Abschluss der Reihe wurde er als Buch veröffentlicht und setzte seinen Siegeszug weiter fort. Dass er in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde, erklärt sich von selbst.

Bereits Anfang 1888 war er in London als Theaterstück zu sehen – Ende desselben Jahres gab der kleine Lord sein Debüt am Broadway in New York. Ab 1914 eroberte Ceddie die aufstrebende Filmindustrie: Zunächst noch stumm und schwarz-weiß und später – wie wir wissen – tanzte er mit Großtante Constantia in Farbe zu „Oh, Dem Golden Slippers“ über die Mattscheibe.

Doch wie gelangte er nun in die Bestände des Staatsarchivs? 

Er war nicht nur am Broadway zu finden, sondern auch im Unterricht: Im Bestand des Provinzialschulkollegiums Kassel haben sich Lektürepläne des Königlichen Realgymnasiums in Biedenkopf erhaltenHStAM, Best. 152 Acc. 1938/9, Nr. 1116Öffnet sich in einem neuen Fenster.

Aktendeckel des Provinzial-Schulkollegiums zu Cassel Sonder-Akten betreffend den Lektüreplan des königlichen Realgymnasiums in Biedenkopf
Titel Lektüreplan (HStAM, Best. 152 Acc. 1938/9, Nr. 1116)

Von 1913 bis 1927 ist dort regelmäßig – von wenigen Ausnahmen abgesehen – für den Englischunterricht der Obertertia oder Untersekunda (also für die 9. und 10. Klasse) die Lektüre des Little Lord Fauntleroy vorgesehen. Zum Vergleich: Im Französischunterricht standen 1913 die Drei kleinen Musketiere von Emile Desbeaux auf dem Programm (eine Adaption von Dumas‘ Originalmusketieren, die an einem Pariser Gymnasium im Jahr 1873 spielt), im Deutschen beschäftigte man sich u. a. mit Balladen und Gedichten von Schiller oder Homers Odyssee, im Lateinunterricht wartete das zweite Buch von Caesars Gallischem Krieg auf die Schüler. Die beiden neusprachlichen Publikationen boten damit wohl etwas „leichtere“ Lektüre – der Earl of Dorincourt möge diese Einordnung verzeihen. 

Blatt mit handschriftlichen Aufzeichnungen
Ausschnitt Lektüreplan Obertertia 1913 (HStAM, Best. 152 Acc. 1938/9, Nr. 1116)

Theaterstücke, Filme, vielfache Übersetzungen, gar Modeinspiration – wen wundert es, wenn manch einer Vergleiche zum Erfolg von Harry Potter sucht. Und so wie der moderne Zauberlehrling zwischenzeitlich Einzug in den Englischunterricht gehalten hat, stand eben auch der kleine Lord auf dem Lehrplan. Ob nun als Buch oder Film – wir wünschen gute Unterhaltung! 

Elisabeth Schläwe, Marburg

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