Schwarz-weiß Bild einer Frau im Kostüm

Das Jubiläum der Wiener Staatsoper und Darmstadt

Eine Autogrammkarte der Sopranistin Maria Reining aus Privatbesitz schlägt einen Bogen zwischen Darmstadt und Wien

Anfang November 2025 wurde der 70. Jahrestag der Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper feierlich begangen und zu einem kleinen Medienereignis. Feierlich eröffnet wurde das Haus am 5. November mit Beethovens „Fidelio“, worauf einige Festvorstellungen folgten, darunter am 16. November die Aufführung von Richard Strauss‘ „Rosenkavalier“. Kultur und Politik mischten sich in diesen Aufführungen in besonderem Maße: Am 27. Juli 1955 war Österreich durch den Staatsvertrag zum souveränen, demokratischen Staat geworden; und der „Rosenkavalier“ war gerade in jener Zeit zu dem „österreichischen“ Stück stilisiert worden. Die Wiedereröffnung des traditionsreichen Opernhauses war damit auch eine identifikatorische Setzung des Staates.

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Korrespondenz mit dem bayerischen Staatsoperndirektor Hans Knappertsbusch

Zu dieser Thematik passt, dass in Darmstädter Privatbesitz eine Autogrammkarte überliefert ist, die die Sopranistin Maria Reining als Marschallin im „Rosenkavalier“ zeigt und anlässlich dieser Aufführungsserie mit einer Widmung versehen wurde. Reining schrieb im Dezember 1955: „Frau Heli Kiesau [?] zur Erinnerung an unsere ‚Operneröffnung‘ und mit vielen Dank für die wundervollen Schirme, die ich schon bekommen habe und noch bekommen werde. Herzlichst Maria Reining“. Diese Karte aus Privatbesitz schlägt wiederum den Bogen zum Darmstädter Staatsarchiv.

Denn die 1903 in Wien geborene Maria Reining war von 1933 bis 1934 am Hessischen Landestheater in Darmstadt beschäftigt. Die Personalakte ist unter der Signatur HStAD, Best. G 55 Nr. 87/4Öffnet sich in einem neuen Fenster im Staatsarchiv überliefert und umfasst eine große Zahl von handgeschriebenen Briefen der Künstlerin an die Intendanz. In den Blick geraten war die seit 1931 an der Wiener Staatsoper beschäftigte Sängerin in den letzten Monaten der Intendanz Gustav Hartungs, unter dem man sich in Darmstadt um Gastspiele bemühte, um die Qualitäten der Sängerin auszuloten. Dadurch, dass die Machtübernahme der Nationalsozialisten Hartung zur Emigration zwang, sollte er aber für ihren weiteren Werdegang keine Rolle spielen. Die Verhandlungen über die Ausgestaltung ihres Vertrags zogen sich dann noch deutlich über das erzwungene Ende seiner Intendanz hin. 

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Ein weiterer Ausschnitt aus der Korrespondenz

In Darmstadt erkannte man zwar „ein ungewöhnlich schön, kultiviertes Material“ ihrer Stimme, eine „edle Musikalität“ und einen „sehr persönlichen Ausdruck“, aber man hatte wohl eine dramatischere Stimme erwartet und scheute etwas vor dem kleinen Repertoire zurück. Darin war man sich auch mit den Kritiken einig. Ihre hohen musikalischen Qualitäten, ihre „frischblühende, poetische Farbe“ (Darmstädter Tagblatt 20. Januar 1933) wurden nach ihren Gastspielen zwar gelobt, aber die Frage blieb, ob sie wirklich eine Lücke im Ensemble zu schließen half, dem es wohl an dramatischeren Stimmen fehlte (Darmstädter Tagblatt 31. Januar und 5. Februar 1933).

Ein intensiver Briefverkehr, in dem die Sängerin ihrer Zwangslage Ausdruck verlieh, auf die Darmstädter Stelle gesetzt zu haben, ermöglichte aber dann doch ihre Übernahme in das Darmstädter Ensemble. Und kaum war sie dort angekommen, bemühten sich auch schon andere, bedeutendere Bühnen um sie. Mehrere Schreiben des Münchner Generalmusikdirektors Hans Knappertsbusch belegen das Renommee, dass die Sopranistin mittlerweile besaß. Bei ihrem Abschied in Darmstadt 1934 schrieb das „Darmstädter Tagblatt“ (22. Juni 1934): „Maria Reining war nur eine Spielzeit an unserem Landestheater, sie kam zu uns als ausgezeichnete Künstlerin, und doch, glaube ich, kann man feststellen, daß ihre Kunst noch reifer, selbstverständlicher wurde. Der wohltuend weiche Klang ihres prachtvollen Organs, die liebenswerte Persönlichkeit, das Organische, auf allen Gebieten Ausgeglichenheit, das all ihren Leistungen innewohnt, die Schönheit ihrer Erscheinung, machte ihren Hörern und Verehrernden Abschied wirklich nicht leicht. Und sie sang und spielte an diesem letzten Abend [in Richard Strauss „Arabella“]bezaubernd.“

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Sehr gefragt: Maria Reining

1934 kam sie dann auch als „Arabella“ in Gastauftritten zurück, und sie empfahl sich selbst als – Marschallin im „Rosenkavalier“. Mit dieser Rolle wird sie bis heute dank der legendären Einspielung unter der Leitung von Erich Kleiber, der übrigens im Mai 1916 seinen ersten „Rosenkavalier“ in Darmstadt dirigiert hatte, aus dem Jahr 1954 eng in Verbindung gebracht. All diese Querverbindungen, die sich durch die Autogrammkarte herstellen lassen, zeigen, wie die Auswertung von Schriftzeugnisse aus dem Privatbesetz, durch die Überlieferung in den Staatsarchiven bereichert werden kann. Das mag den Bogen schlagen, um der Wiener Staatsoper aus Südhessen zu ihrem Jubiläum zu gratulieren.

Rouven Pons, Darmstadt

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