Da uns der Winter in diesem Jahr bereits einige Male Schnee beschert hat, konnten in vielen Teilen Hessens auch die Schlitten aus den Kellern geholt werden. Der Schlitten ist aber nicht nur ein beliebtes Wintersportgerät, er gilt auch als das älteste Transportmittel der Welt und wird schon seit mehreren Jahrtausenden für die unterschiedlichsten Zwecke genutzt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass er auch im digitalisierten Archivgut des Hessischen Landesarchivs in verschiedenen Zusammenhängen und Jahrhunderten immer wieder in Erscheinung tritt.
Hessisches Landesarchiv
Mixed Pixels - Digitalisiertes Archivgut online: Januar 2023
Ursprünglich waren Schlitten reine Arbeitsgeräte und dienten beispielsweise der Beförderung von Heu oder Holz. Diese Funktion ist bis heute nie ganz verloren gegangen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts genehmigte etwa die Hofkammer Wiesbaden die Anfertigung von 70 Schlitten, um den Transport von Holz aus dem Wald an die befahrbaren Wege zu erleichtern. Der Einsatz von Schlitten bedeute nämlich im Gegensatz zu Arbeitern oder Zugvieh einen geringeren Kostenaufwand und weniger Schaden an den jungen Pflanzen ( HHStAW, 207, 802Öffnet sich in einem neuen Fenster). Ein Foto aus einer Wiesbadener Wohnsiedlung zeigt, dass auch in den 1950er Jahren der Schlitten noch gerne genutzt wurde, um Brennholz über die verschneiten Straßen nach Hause zu bringen (ganzes Foto: HHStAW, Best. 3008/47 Nr. 13066Öffnet sich in einem neuen Fenster).
Schlitten werden jedoch nicht nur zum Warentransport, sondern ebenfalls zur Personenbeförderung eingesetzt. Besonders der Adel ließ sich seit dem Mittelalter luxuriös ausgestattete Schlitten bauen, die von Pferden gezogen wurden. Ein offenbar sehr rasantes Modell ist auf einer Zeichnung im Stammbuch des Johann Christoph Kugler aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts dargestellt ( HStAD, C 1 D, 94Öffnet sich in einem neuen Fenster; Schlitten auf Seite 76).
Es wurden aber auch extravagante Ausfahrten mit großen Gesellschaften veranstaltet – davon zeugt zum Beispiel ein Beleg in den Haushaltsrechnungen der Freiherren von Greiffenclau aus dem Jahr 1799, in dem die Ausgaben für eine Schlittenfahrt aufgeführt sind. Bezahlt werden mussten u.a. zwei Schlitten, vier Vorreiter, Zopfbänder für die Pferde, Kleidung für die Begleitmannschaft und Wein zum Warmhalten ( HHStAW, 128/3, 1817Öffnet sich in einem neuen Fenster).
Doch solche Unternehmungen galten auch als gefährlich. Im Jahr 1740 baten Ludwig, Georg Wilhelm und Johann Friedrich Karl ihren Vater, Landgraf Ludwig VIII. von Hessen-Darmstadt, in einem Schreiben um Erlaubnis zur Teilnahme an einer Schlittenfahrt. Der besorgte Landgraf untersagte seinen Söhnen diesen Ausflug, da ein Schlitten schwer zu lenken sei und in Kurven leicht wegrutsche, was unangenehme Folgen haben könne, etwa dass sie mit gefrorenen Füßen und Händen durch die durchdringende Kälte laufen müssten ( HStAD, D 4, 402/2Öffnet sich in einem neuen Fenster).
Dennoch dienen die Gefährte bis heute als Transportmittel und gelten in schneereichen Gegenden teilweise sogar als Statussymbol. So posierte der Thronfolger Alexej, Großfürst von Russland, im Jahre 1911 für ein Foto stolz in seinem Pferdeschlitten ( HStAD, Best. D 27 B Nr. 661/1-2Öffnet sich in einem neuen Fenster).
In den letzten Jahrhunderten wurden noch weitere Ideen entwickelt, wie Schlitten für winterliche Freizeitvergnügungen eingesetzt werden können. Seit dem 19. Jahrhundert waren Stuhlschlitten in Mode. Dabei handelt es sich um Stühle oder auch sesselartige Sitze, die auf Kufen montiert wurden und dazu dienten, eine darauf sitzende Person auf einer Eisfläche herumzuschieben. Erbgroßherzog Georg Donatus von Hessen und sein Bruder nutzten beim Schlittschuhlaufen in Kranichstein 1914 die leeren Stühle als Stütze ( HStAD, D 27 A, 76/367-368Öffnet sich in einem neuen Fenster).
Der bekannteste Schlittensport ist natürlich das bereits seit dem 16. Jahrhundert als „Rodeln“ bezeichnete Abfahren von Bergen oder Hügeln. Ein um 1890 entstandenes Bild zeigt eine solche Schlittenpartie auf der Lindenallee zwischen Auerbach an der Bergstraße und dem nahegelegenen Fürstenlager ( HStAD, O 3, 448/7Öffnet sich in einem neuen Fenster).
Die ersten lenkbaren Rodelschlitten wurden im 19. Jahrhundert in der Schweiz gebaut und dienten dem Zeitvertreib der Hotelgäste. Ein Foto aus dem Jahr 1904 gibt einen Eindruck von einer solchen touristischen Schlittenfahrt im Hochgebirge des Berner Oberlands ( HStAD, R 4, 20984/40Öffnet sich in einem neuen Fenster).
In Davos fand 1883 das erste offizielle Schlittenrennen statt, und in den folgenden Jahren führte die Professionalisierung des Rodelsports in der Schweiz zum Bau spezieller Rodelbahnen. Die auf einer Postkarte vom Beginn des 20. Jahrhunderts abgebildete Piste für die sogenannten Cresta-Rennen in St. Moritz wird beispielsweise bis heute jeden Winter genutzt (ganzes Foto: HStAD, R 4, 20984/67Öffnet sich in einem neuen Fenster).
Mit der Entwicklung des Sports wurden die Schlitten immer weiter modifiziert, um höhere Geschwindigkeiten erreichen zu können. Selbst Karl Franz Joseph, Erbherzog von Österreich, war 1909 auf einem Rennrodel für vier Personen unterwegs, wie das Foto zu Beginn des Artikels zeigt ( HStAD, R 4, 32574/2 AÖffnet sich in einem neuen Fenster).
Die schnellen Schlitten führten aber auch zu vielen Unfällen, weshalb im gleichen Jahr sogar das Großherzoglich-Hessische Ministerium des Inneren darüber nachdachte, welche polizeilichen Anordnungen zur Verhütung von Unglücksfällen erlassen werden sollten. Vorgeschlagen wurden u.a. Verbote der Benutzung von mehrsitzigen Rodelschlitten und der gleichzeitigen Abfahrt mehrerer Rodel vom Start aus ( HStAD, R 1 B, 45933Öffnet sich in einem neuen Fenster).
Vor diesem Hintergrund hoffen wir, dass Sie, lieber Leserinnen und Leser der Mixed Pixels, unfallfrei ins neue Jahr gerutscht sind – ob mit oder ohne Schlitten – und wünschen ein gesundes und glückliches 2023!
Sabine Fees, Hessisches Landesarchiv