Kolorierte Zeichnung: Zwei kostümierte Personen und der Zeichner, in dessen entblößter Brust ein Herz mit der Aufschrift "Dank" brennt (HStAD, O 13, 1014)

Mixed Pixels - Digitalisiertes Archivgut online: Februar 2023

Närrisches Archivgut

Ob als Fastnacht, Fasching oder Karneval – die närrische Zeit spielt in vielen hessischen Regionen eine wichtige Rolle als fünfte Jahreszeit. Natürlich hat diese jahrhundertealte Tradition auch ihre Spuren im digitalisierten Archivgut des Hessischen Landesarchivs hinterlassen, denn schon seit dem 12. Jahrhundert war es üblich, vor der 40tägigen Fastenzeit noch einmal intensiv zu feiern und der Völlerei zu frönen. Im Mittelpunkt stand dabei folglich zunächst das reichhaltige Essen, von dem man für mehrere Wochen Abschied nehmen musste.

Mittelalterliche Urkunde: Dietrich von Archfeld bestätigt seine Belehnung u.a. mit 24 Fastnachshühnern, 1425 (HStAM, Urk. 76, 18)

In diesem Zusammenhang ist auch die Entrichtung des sogenannten Fastnachtshuhns zu verstehen, eine jährliche Abgabe an den Lehnsherrn, die im Mittelalter vielerorts vor Beginn der Fastenzeit geleistet werden musste. In einer Urkunde aus dem Jahr 1425 bestätigte beispielsweise ein gewisser Dietrich von Archfeld dem Abt des Kloster Fulda, mit ganzen 24 Fastnachtshühnern jährlich belehnt worden zu sein (HStAM, Urk. 76, 18Öffnet sich in einem neuen Fenster). Zu Fastnacht wurden wohl v.a. die eierlegenden Hennen abgetreten, da der Konsum von Eiern bis Ostern ohnehin verboten war.

Historische Zeichnung: Kopf mit Kragen und Narrenkappe, darüber der Schriftzug "Philippus" (HHStAW, 171, R 1319)

Seit dem späten Mittelalter gewann neben dem Essen die Maskierung zu Karneval an Bedeutung. Besonders häufig trat die Figur des Narren auf, der Gottesferne und Vergänglichkeit symbolisierte – denn während die Menschen in der Fastenzeit gottgefällig leben, sind zu Fasching eben der Teufel und die Narren los. Zu typischen Attributen des Narren entwickelten sich farbige Klamotten und eine zipfelige, mit Schellen behangene Kappe. Eine Zeichnung einer entsprechend gekleideten Person mit dem Namen „Philippus“ findet sich auch in Unterlagen zur Reformierung des Kirchenwesens in der Grafschaft Isenburg-Büdingen aus dem Jahr 1598 (HHStAW, Best. 171 Nr. R 1319Öffnet sich in einem neuen Fenster). Welcher Philipp wird hier wohl zum Narren erklärt? Besonders interessant ist diese Karikatur vor dem Hintergrund, dass die Reformationsbewegung den Karnevalsfeierlichkeiten und der Lasterhaftigkeit der Narren grundsätzlich kritisch gegenüberstand.

Trotzdem lebten die Fastnachtstraditionen weiter und die Verkleidungen wurden aufwändiger. Eine farbige Zeichnung in einem Brief aus dem Jahr 1846 zeigt, dass die bis heute üblichen Clownskostüme bereits zu dieser Zeit üblich waren (HStAD, O 13,  1014Öffnet sich in einem neuen Fenster, Bild zu Beginn des Artikels). Dargestellt ist außerdem eine Gardeuniform – eine Persiflage auf das Militär, vor allem die französischen Truppen, denn Napoleon hatte den Straßenkarneval Ende des 18. Jahrhunderts verboten. Doch auch die Narrenkappen erfreuten sich weiterhin großer Beliebtheit, wie ein Foto von Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und seinen Söhnen aus dem Jahr 1910 beweist (HStAD, D 27 A, 63/208-210Öffnet sich in einem neuen Fenster, Digitalisat in Arcinsys).

Historisches Foto: Kinder der Familie zu Hohensolms-Lich in Verkleidung, um 1909 (HStAD, D 27 B, 400/1-4)

Der Adel experimentierte aber ebenso mit kreativeren Kostümierungen: Zu Fasching 1909 verkleidete sich Prinzessin Marie zu Solms-Hohensolms-Lich als alter Mann, der Erbprinz des Hauses Solms-Hohensolms-Lich als Mädchen und seine kleine Schwester als Junge. Ihre Verwandten, darunter Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und seine Ehefrau Großherzogin Eleonore, verkleideten sich als Dienstboten (HStAD, D 27 B, 400/1-4Öffnet sich in einem neuen Fenster).

Historisches Foto: Ein von Pferden gezogener Motivwagen eines Karnevalvereins beim Faschingsumzug in Wiesbaden, 1949 (HHStAW, 3008/2, 20048)

Seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts wurden in vielen Städten und Gemeinden Rosenmontagsumzüge organisiert, überall im deutschsprachigen Raum wurden Karnevalsvereine gegründet. Die „Darmstädter Carnevals-Gesellschaft“ entstand 1878 und hielt 1886 den ersten offiziellen „Darmstädter Carnevalszug“ ab – die dazu überlieferte bildliche Darstellung zeigt und erläutert alle einzelnen Darbietungen und Wagen (HStAD, R 4, 28741 GFÖffnet sich in einem neuen Fenster). Natürlich können auch andere hessische Städte auf eine lange Tradition von Fastnachtszügen zurückblicken. In der Bildersammlung „Foto Rudolph“ sind etwa Wiesbadener Umzüge, Festwagen und Prinzenpaare seit 1939 bis in die 1980er Jahre dokumentiert (HHStAW, 3008/2, 20048Öffnet sich in einem neuen Fenster). 

Da Fastnacht, Fasching und Karneval in diesem Jahr nach mehrjähriger Corona-Pause endlich wieder ausführlich und inklusive Rosenmontagszügen gefeiert werden können, wünschen wir allen Narren eine ausgelassene fünfte Jahreszeit!

Sabine Fees, Hessisches Landesarchiv

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