Alle Jahre wieder stellen sich beim vorweihnachtlichen Geschenkekauf Fragen nach der Qualität von Kinderspielzeug: Enthält das Kuscheltier Schadstoffe? Ist die Puppe ohne Weichmacher? Sind die Bauklötzchen speichelfest?
Eine Verordnung der Landgrafschaft Hessen-Kassel vom 1. Dezember 1801 befasste sich schon vor über zweihundert Jahren mit kupfer- und bleihaltigen Farben, die bei der Spielzeugherstellung Verwendung fanden, und warnte vor den schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit der Kinder (überliefert in HStAM, 330 Homberg, C 9780Öffnet sich in einem neuen Fenster). Der Verkauf dieser Waren „unter dem Namen des Nürnberger Spielzeugs“, größtenteils jedoch in der (ebenfalls bekannten Spielzeugstadt) Sonneberg oder von inländischen Drechslern gefertigt, wurde untersagt.
Welche Farben verwendet werden durften und welche nicht, wurde genau festgelegt; auch bestimmte Beimischungen waren verboten: Weißer Lehm, Kreide oder Zinnoberrot wurden als unschädlich angesehen; Bleiweiß, Minium als Bleioxid oder Grünspan waren aus nachvollziehbaren Gründen nicht geeignet, bei der Herstellung von Kinderspielzeug Verwendung zu finden.
Die Vorarbeiten zu dieser Verordnung sind in einer Akte des Geheimen Rats ( HStAM, 5, 854Öffnet sich in einem neuen Fenster) dokumentiert: Das Fürstliche Collegium Medicum hatte die an Nürnberger Spielsachen und „Zuckerbäckerwaaren“ befindlichen Farben genau untersucht, woraufhin die Polizeikommission Antrag stellte, den Verkauf zu untersagen. Im Bericht des Medizinalkollegiums wird auch auf die schädliche Verwendung von Blei in den Mundstücken von Saugflaschen für kleine Kinder eingegangen und vor der „langsamen Vergiftung, welche durch Abzehrung erst spät sich offenbart“, gewarnt.
Neben der Gefahr für die öffentliche Gesundheit hat die Episode noch eine andere, wirtschaftliche Dimension: Im Bericht des Medizinalkollegiums heißt es weiter, dass echtes Nürnberger Spielzeug, dessen Farben „nur“ Kupfer enthielten, kaum mehr verkauft werde; nur der Kaufmann Causid in Kassel habe noch einen kleinen Vorrat und schon seit einigen Jahren nichts mehr zugekauft, weil sich der Preis vervierfacht habe. Also brachten andere Hersteller ihre billigen Produkte, deren Farben neben Kupfer zudem Blei enthielten, unter dem Markennamen „Nürnberger Spielzeug“ auf den Markt – heute würde man von Produktpiraterie sprechen.
Die Verordnung mit dem Verkaufsverbot brachte natürlich viele Spielzeughändler in die Bredouille. Um nicht auf ihren Waren sitzen bleiben zu müssen, stellten etwa die Handelsleute Schenck, Otto und Edler zu Neu-Hanau im Oktober 1802 den Antrag, weiterhin das Spielzeug verkaufen zu dürfen, „jedoch mit Ausschließung derjenigen Stücke welche die Kinder in den Mund nehmen müssen wie etwa Pfeifen, Trompeten, Rasseln pp.“ Eine Entscheidung der Regierung zu diesem Antrag ist nicht überliefert – die Stellungnahme des Medizinalkollegiums in der Sache spricht jedoch eine deutliche Sprache: Da Kinder „alles ohne Ausnahme in den Mund zu nehmen pflegen“, sei der Bitte nicht stattzugeben; das „Privat-Interesse“ habe dem allgemeinen Wohle nachzustehen ( HStAM, 86, 19804Öffnet sich in einem neuen Fenster).
Es bleibt zu hoffen, dass trotz Verordnung nicht doch an viele gutgläubige Schenkende schädliche Spielwaren verkauft und Kinder krank wurden. Heute sorgen eine Reihe von Qualitätssiegeln und Prüfverfahren etwa durch den TÜV für weitgehende Sicherheit beim Spielzeugkauf – wir wünschen eine schöne Bescherung!
Katrin Marx-Jaskulski, Marburg