Modernes Foto: Akten im Archivkarton

Praktika im Hessischen Landesarchiv

Das Angebot des Hessischen Hauptstaatsarchivs am Standort Wiesbaden – Raphael Kappel gibt Einblicke in sein Praktikum

Mit dem vorliegenden Bericht soll ein persönlicher Einblick in das Format des „studentischen Praktikums“ aus Sicht eines Teilnehmers gegeben werden, um Interessierten eine Vorstellung vom Erfahrungsraum „Archiv“ zu geben und das Angebot eines „Informatoriums“ publik zu machen.

Das Hessische Hauptstaatsarchiv bietet im Frühling und im Herbst ein vierwöchiges studentisches Praktikum an. Dabei liegt der Fokus im März auf der Erschließungsarbeit, auch unter wissenschaftlichen Aspekten und im September auf der archivischen Öffentlichkeits- und Vermittlungsarbeit.

In der ersten Arbeitswoche (06.03–10.03.2023) erfolgte zunächst eine allgemeine Einführung in die Archivarbeit und eine Vorstellung des Archivstandorts in Wiesbaden. Einen Einstieg bot die Lektüre unterschiedlicher Literatur (Grundlagentexte zum Archivgesetz, zur Kulturpraxis des Archivierens bis hin zur praktischen Archivarbeit), um die thematischen Grundlagen zu schaffen. Bei einer gleich zu Beginn absolvierten Hausführung wurde die Vielfältigkeit der Räume des Archivs ersichtlich, da neben den sieben Stockwerken des Magazins und den umliegenden Büros und Werkstätten auch Veranstaltungsräume und ein Lesesaal existieren!
Auf dem Programm standen in den vier Wochen auch Einblicke in die organisatorischen Facetten der Archivarbeit. Die Teilnahme an einer großen Dienstbesprechung sowie an den Besprechungen der Referate 22 (Überlieferungsbildung) und 23 (Erschließung und Erhaltung) ermöglichten nicht nur die Archivarbeit kennenzulernen, sondern auch Einsicht in die organisatorischen Abläufe, auftretenden Probleme und entwickelte Lösungen zu erhalten.
Zum Abschluss der letzten Woche konnte eine erste Erschließungs- und Verzeichnungsarbeit von Personalbögen und -akten aus dem Paul-Ehrlich-Institut in Frankfurt a.M. (HHStAW, 936Öffnet sich in einem neuen Fenster) in Arcinsys begonnen und abgeschlossen werden. Diese Akten betrafen alle betrieblichen Abläufe des Instituts wie zum Beispiel die Buchhaltung, Verwaltung, Assistenz der Abteilungen, Laborarbeit, Gebäudereinigung, Tierpflege sowie die staatliche Aufsicht über das Forschungsinstitut. Der Umfang belief sich auf 0,5 laufenden Metern bei einer Laufzeit von 1891–1975.

Die zweite Woche (13.03–17.03.2023) weitete die Perspektive der Arbeit im Archiv auf die Nutzung und die Öffentlichkeitsarbeit aus. Nach einer Einführung in die Nutzungsordnung des Landesarchivs und Aufklärung über die Sorgfaltspflichten bei Recherche und Informationsbereitstellung bezog das Referat 24 (Nutzung und Vermittlung) die Praktikanten in die Mitarbeit an Recherchen und Auskünften aktiv ein. Unter anderem wurde eine Anfrage aus den Vereinigten Staaten bearbeitet, die sich mit den Akten der Spruchkammer Frankfurt a.M. (HHStAW, 520/11) auseinandersetzte. Es wurden über 150 Akten von Personen aus dem Gebiet Frankfurt a.M. angefragt. Eine erste Recherche im Archivinformationssystem Arcinsys erbrachte bereits viele Verzeichnungstreffer. Für den verbleibenden Rest wurde es notwendig, im Magazin an das alphabetische Namensregister der Kartei Hand anzulegen, jede Person einzeln zu recherchieren und die jeweilige Signatur zu ermitteln. Im nächsten Schritt war dann das Auffinden der in der Regel handschriftlichen Signatur im Regal notwendig, um zum Schluss die Aushebung der Akte vorzunehmen. So konnten zunächst 120 Akten der gesuchten Personen gefunden und ausgehoben werden; ganze zwei Tage im Magazin waren für den Abschluss der Recherche erforderlich. Außerdem gab es eine Einführung in die Fotowerkstatt, wo Technik und Prozesse der Digitalisierung verständlich gemacht und der Umgang mit digitalisiertem Archivgut diskutiert wurden.

Im Zeitraum der dritten Woche (20.03–24.03.2023) wurden Akten der Mitglieder der Notarkammer Frankfurt a.M. (HHStAW, 2041Öffnet sich in einem neuen Fenster) erschlossen und ebenfalls in Arcinsys verzeichnet. Der Bestand beinhaltet Vorgänge zum Ein- und Austritt in das Notariatsamt, Verfahren und Strafen gegen Notare, falls sie ihren Amtspflichten nicht nachgekommen waren, Anträge der Notare zur Befreiung von Pflichten, die Anmeldung von Nebentätigkeiten und im besonderen Fall die Verleihung von Ehrungen oder den Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Diese Überlieferung wurde in zwei Zugängen in den Jahren 2007 und 2008 akzessioniert. Sie umfasste rund 5 laufende Meter bei einer Laufzeit von 1956–2007. In einer weiteren Einführung in das Archivwesen wurde zudem über das Berufsbild Archivar / Archivarin, über Ausbildungsmöglichkeiten und über Tätigkeitsfelder informiert.

Zuletzt schloss sich die Erschließung weiterer Bestände aus dem Bereich Kultus an. Prüfungsdokumentationen des 2. Staatsexamens der Studienseminare für das Lehramt an beruflichen Schulen in Frankfurt a.M. (HHStAW, 822), in Wiesbaden (HHStAW, 823) und des Studienseminars für das Lehramt an Gymnasien in Frankfurt a.M. (HHStAW, 824) wurden erschlossen und in Arcinsys verzeichnet. Dazu gehörte auch die Entmetallisierung und Umbettung der Unterlagen.

In der letzten Woche des Praktikums (27.03–31.03.2023) ergab sich die Möglichkeit, einen Einblick in die Öffentlichkeitsarbeit in Form der Veranstaltungsreihe „Belastung, Entlastung und Integration“ sowie in die Bedienung der Social-Media-Kanäle einschließlich des Newsletters zu erhalten. Es bestand die Gelegenheit, Beiträge für den internen Newsletter „HessenArchiv aktuell“ und die Archivnachrichten zu verfassen. Dabei wurde nicht nur berichtet, sondern im Einzelfall auch mit den Beständen gearbeitet und wissenschaftlich geforscht.

Das Praktikum eröffnete die Chance, sich über die unterschiedlichen Berufsbilder im Archivwesen aus der Praxis zu informieren. Das Format des Praktikums bietet dabei nicht nur Anlass die Zugänge zum Archivwesen zu erfahren, sondern es bietet vor allem Raum, die praktischen Anforderungen des Berufs festzustellen und damit die eigene Berufswahl zu überprüfen bzw. wichtige Vorkenntnisse für den Auswahlprozess zu erwerben. Die Herausforderung, mit jedem Bestand neue Eindrücke und Erfahrungen zu den Behörden, Unternehmen und deren internen Vorgängen zu gewinnen und diese bei der Tätigkeit der Erschließung in einen inhaltlichen Kontext zu stellen, hat den Verfasser begeistert.

Die Einblicke in die Praxis haben den Wunsch die Ausbildung zum Archivar im gehobenen Dienst anzustreben geweckt und das bereits zuvor vorhandene Interesse am Berufsbild bestätigt.

Allen Studierenden der Geschichte bzw. der Geisteswissenschaften in der Berufsorientierung ist ein Praktikum im Archivwesen zu empfehlen. Die Plätze sind begrenzt. Aus diesem Grund empfiehlt sich eine frühzeitige Information und Anfrage.

Am Gelingen eines Praktikums sind viele Beschäftigte beteiligt. Den Beschäftigten der Referate 23 und 24 danke ich herzlich für Ihr Engagement und für Ihren Zeiteinsatz! Stellvertretend bedanke ich mich bei der Leitung des Hessischen Hauptstaatsarchivs, Frau Dr. Nicola Wurthmann sowie bei Archivamtfrau Christiane Kleemann, die die Inhalte des Praktikums maßgeblich entwickelt und vermittelt haben.

Raphael Kappel, Praktikant im Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden

Weitere Information

Weitere Informationen zu den Praktika am Hessischen Landesarchiv sind auf der Seite "Praktika und Bundesfreiwilligendienst" eingestellt.

Praktika und Bundesfreiwilligendienst