Am 3. März des Jahres 2025 fanden wir, drei Studierende der Geschichtswissenschaften, uns pünktlich um 8:30 Uhr vorm Staatsarchiv ein, um das Gebäude erstmals nicht als Nutzende, sondern als Teil des Teams zu betreten. Nach einer herzlichen Begrüßung ging es für uns an die Arbeit. In unserem ersten Projekt lernten wir sogleich die erste Lektion (sowohl für die Archivarbeit als auch fürs Leben): Metall beschädigt auf lange Sicht Papier – der Tacker sollte also nicht allzu oft zum Einsatz kommen.

Vielfalt der Archivarbeit
Akten, Bücher und eine Menge Altmetall

Um die Gefangenenpersonalakten, mit denen wir zunächst arbeiteten, auch für die kommenden Jahrhunderte zu erhalten, befreiten wir diese im Zuge unserer Erschließung zunächst von sämtlichem Metall, um das Rosten und damit die Zersetzung des Papiers zu verhindern, bevor wir sie im Archivinformationssystem Arcinsys verzeichneten. Damit einhergehend erhielten wir einen umfassenden Einblick in die Bewertungskriterien, nach denen die Auswahl der abgegebenen Akten vorgenommen wird. Da wir die Akten nun vor uns hatten, beschränkte sich unser Einblick nicht nur auf die inneren Arbeitsabläufe des Archivs, sondern ermöglichte überdies eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Akten, um sie entsprechend verzeichnen zu können.
Ebenfalls wurde im Rahmen des Praktikums ein großer Teil des Bestands „Protokolle IV“, mittlerweile bestehend aus 1,49 Marburger Metern, erschlossen und in Arcinsys verzeichnet. Dieser enthält diverse Amtsbücher von Schulen wie Chroniken, Haupt- und Stoffbücher sowie Straf-, Zensur- und Versäumnislisten. Schulchroniken werden auch außerhalb des Schulsamples vom Staatsarchiv Marburg übernommen, da sie, wie auch wir bei der Erschließung feststellen konnten, besonders ergiebige Quellen für diverse Forschungsinteressen darstellen und somit für ein breites Publikum an Nutzenden von Interesse sein könnten. Sowohl weltpolitische als auch regionale und schulinterne Ereignisse hielten die Lehrer im Laufe der Jahre in den Chroniken fest. In welchem Umfang dies geschah, lag, wie sich zeigte, auch immer im eigenen Ermessen der Chronisten.
In einigen Chroniken ist zudem ein interessantes Erbe aus der Zeit des Nationalsozialismus zu erkennen. Häufig findet sich an Stellen, die Einträge aus den Jahren 1933 bis 1945 enthalten sollten, gähnende Leere, weil sie augenscheinlich herausgetrennt wurden. Um so aufschlussreicher sind jene Chroniken, in denen Berichte über diesen Zeitraum erhalten geblieben sind.
In manchen Amtsbüchern aus Mohnhausen wurde lange Zeit die alte Schreibweise „Monhausen“ verwendet. Einen Hinweis auf den Grund liefert eine der Chroniken selbst. So befasste sich auch der schriftführende Lehrer der Volksschule Mohnhausen mit der Ortsgeschichte und nahm in der Chronik Bezug auf die natürlich im Staatsarchiv Marburg verwahrte Urkunde mit der Ersterwähnung des Ortes.
Noch heute ist die Konsultation von Urkunden für die Erforschung der hessischen Lokalgeschichte von Bedeutung. In Hessen können sich Gemeinden und Städte, die seit mindestens 750 Jahren bestehen, anlässlich ihrer Jubiläumsfeiern die Freiherr-vom-Stein-Plakette verleihen lassen. Beim Nachweis dieser Ersterwähnungen werden die Gemeinden auch vom Staatsarchiv Marburg fachkundig begleitet, was wir in einem konkreten Fall in der Praxis miterleben konnten. So unterstützten wir die Archivarinnen und Archivare auch bei kleinen Nutzendenanfragen, etwa bei einer solchen Suche nach der Ersterwähnung einer hessischen Gemeinde.
Unser zweites großes Projekt stand ganz im Zeichen der Buchkunst. Der Altbestand der Dienstbibliothek des Staatsarchivs Marburg umfasst Bücher, deren Erscheinen bis ins 16. Jahrhundert zurückgehen. Dementsprechend ehrfürchtig und neugierig blickten wir auf die vielen Schätze, die wir katalogisieren und verpacken durften. Nach ihrer Verpackung werden sich die Bücher des Altbestandes auf den Weg nach Neustadt in die Restaurierungswerkstatt machen, in der die fähigen Hände Annett Eilenbergs und ihres Teams dafür Sorge tragen werden, deren Erhalt auch für die nächsten 500 Jahre sicherzustellen.
Außerdem konnten wir bei unserem Besuch des Grundbuch- und Personenstandsarchivs in Neustadt einen Einblick in die Restaurierungswerkstatt sowie die Besonderheiten der Arbeit mit Personenstandsakten erhalten. Doch nicht nur nach Neustadt, sondern bis ins nördlichste Hessen, nämlich auf Burg Ludwigstein, verschlug es uns im Laufe des Praktikums, wo wir das Archiv der deutschen Jugendbewegung besuchten.

Zum Abschluss unseres Praktikums haben wir die lehrreiche Zeit auch in Zahlen Revue passieren lassen und so blicken wir zurück auf: 1 kg Altmetall, das aus den Akten entfernt wurde, 165 gepackte Kisten, die sich mit insgesamt 2.280 Büchern auf den Weg nach Neustadt machen und natürlich 30 Tage im Archiv, die wir immer in guter Erinnerung behalten werden.
Anna-Lena Knebel, Bjarne Trampnau und Polly Wagner, Praktikantinnen und Praktikanten im Hessischen Staatsarchiv Marburg