Noch vor der gewitterstärksten Jahreszeit fand am 7. Mai 2025 eine vom Marburger Notfallverbund organisierte Übung zur Bergung und Erstversorgung von Kulturgut statt. In mehreren Planungssitzungen seit Juli 2024 wurden die Ziele der Übung, Szenario, Setting, Vor- und Nacharbeitung und vieles weitere Organisatorische diskutiert und entschieden. Dazu hatte sich aus dem Notfallverbund ein Planungsteam konstituiert, das im Staatsarchiv tagte, und aus Angehörigen der Archivschule und des Staatsarchivs als ausrichtende Häuser, Matthias Frankenstein als renommiertem Experten und Einsatzleiter sowie Mitgliedern des Herder-Instituts, der UB Marburg und der Feuerwehr bestand.

Notfallverbund
Erste Notfallübung des Marburger Notfallverbunds

Die Federführung für die Organisation der Übung hatte der Notfallverbund Julia Reinartz-Rains übertragen. Bald fiel die Entscheidung, das wahrscheinlichste Szenario zu proben: Die Bergung und Erstversorgung von wassergeschädigtem vorwiegend papierenem Kulturgut, so wie es üblicherweise in Archiven und Bibliotheken vorgehalten wird. Konkret wurden die Folgen eines Starkregenereignisses in einem Kellerraum der Archivschule mit teilweiser Schmutzeinwirkung simuliert. Erklärtes Ziel der Übung war es, mit einem ausgewogenen Mittelmaß an notwendigen Vorbereitungen etwa hinsichtlich Verpflegung, Anwohnerinformationen, Zeitplan usw. sich wie in einem realen Fall auf die Erfahrung und auch die Unwägbarkeiten einzulassen. Dies bedeutete auch, dass wir unser umfangreiches Equipment auf die Probe zu stellen hatten und durch Einsatz und Anwendung erfahren wollten, wie damit den Erfordernissen des Szenarios beizukommen ist. Vorgeschaltet war das gemeinsame Bestücken der Notfallcontainer, über das im Newsletter 2024-11 berichtet wurde (siehe Bergungsmaterialien unter Dach und Fach).

Wichtiger Ankerpunkt der Planungen war eine Umfrage unter den Mitgliedsinstitutionen bezüglich Kassanda, die für die Übung zur Verfügung gestellt werden könnten, dem Teilnahmeinteresse sowie eventuellen Vorkenntnissen. Nahezu alle Mitgliedsinstitutionen wollten und konnten Teilnehmende zur Übung entsenden.

Bei Sonnenschein und angenehmen Temperaturen für körperliches Arbeiten startete die Übung am Morgen des 7. Mai für die insgesamt ca. 50 Teilnehmenden und Externen mit dem sukzessiven Eintreffen der Gerätschaften und Materialien, die vom alten Feuerwehrstandort in Marburg-Cappel auf den Friedrichsplatz transportiert wurden. Anschließend folgte ein einleitender Vortrag von Matthias Frankenstein, die Arbeitssicherheitsunterweisung durch Annett Eilenberg und die Aufteilung in die jeweiligen Teams. Mit persönlicher Schutzausrüstung und farbigen Westen ausgestattet konnten in zwei Praxisphasen die Teams Einsatzleitung, Bergung, Erstversorgung, Logistik sowie Öffentlichkeitsarbeit praktische Erfahrungen mit ihren jeweiligen Zuständigkeiten und in der Rollendynamik sammeln. Das Bergungsteam bahnte sich den Weg frei zum „Schadensort“, barg das Kulturgut aus den Wannen und markierte, ob Verschmutzung vorlag. Das Logistik- oder Transportteam organisierte das Distribuieren zu den Erstversorgungszelten. Dort erfolgte die Identifikation des Stückes, die fotografische Dokumentation, das Abspülen falls nötig und das Einstretchen mit Folie als Vorbereitung auf das Einfrieren und Gefriertrocknen die sich Echtfall anschlössen.

Besonders froh und dankbar ist der Notfallverbund Marburg über die Mitgestaltung, Unterstützung und positive Begleitung der Übung durch die Feuerwehr Marburg, das Technische Hilfswerk, die Polizei und das Deutsche Rote Kreuz. Letzteres verpflegte alle zu Mittag mit dem traditionellen und bewährten Erbseneintopf sowie belegten Brötchen. Nach einer Feedbackrunde endete die Übung um ca. 16.00 Uhr.
Referat 43 des Staatsarchivs Marburg konnte mit Abschluss der Übung bereits in der ersten Jahreshälfte 2025 eine der Zielvereinbarungen mit dem zuständigen Ministerium für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur (HMWK) als erfüllt markieren .
Aber: „Nach der Übung ist vor der Übung“ – oder vor dem Ernstfall? Daher ist das Planungsteam nun im Besonderen gespannt auf die Ergebnisse der Dokumentation und Evaluation, die vier Referendarinnen und Referendare der Archivschule übernommen haben. Dazu wurde ein Bericht der Übung, d.h. des tatsächlichen Geschehens gegenüber dem Geplanten sowie eine Fragebogenauswertung erstellt. Aus den bisherigen Rückmeldungen lässt sich vor allem Dankbarkeit für die Erfahrung bei der Übung und einiges an konstruktiver Kritik mit positiver Bilanz unter den Teilnehmenden schließen. Bestärkt und um wertvolle Erkenntnisse reicher blickt man nun ein wenig unerschrockener möglichen echten Notfällen entgegen.
Julia Reinartz-Rains, Marburg