Historischer Farbdruck mit Zeichnung eines springenden Kudus (hirschähnliches Tier mit gewundenen Hörnern)

Ein Kudu-Geweih aus dem heutigen Tansania im Museum – Was daran ist das Problem?

Das Archiv der Deutschen Jugendbewegung unterstützt ein Projekt der Universität Kassel zur Herkunft von Artefakten aus der Kolonialzeit.

Die Provenienzforschung in deutschen Museen hat sich längst vom Unrechtskontext Nationalsozialismus auf die Kolonialzeit erweitert. Wenn hier problematische Erwerbungswege rekonstruiert werden, stehen Objekte im Mittelpunkt, die den Reichtum der kolonialisierten Länder repräsentieren. Dieser Reichtum besteht aus kunsthandwerklichen oder künstlerischen Erzeugnissen sowie Alltags- und Kultgegenständen sowie in nicht unerheblichem Maße aus Tier-Überresten. Diese erbeutet oder erjagt zu haben, ist Ausdruck kolonialer Herrschaft und Gewalt.

Daher kann das Kudu-Geweih aus dem heutigen Tansania für die Großwildjagd deutscher Kolonialherren stehen. Den Einheimischen wurden damit ihre Rechte an der Nutzung der Tierwelt entrissen. Die Jagd-Trophäe, arrangiert unter Nennung von Ort, Zeitpunkt und dem Namen des Jägers auf einem Trophäenschild, repräsentiert dauerhaft das Bild des einzelnen, tüchtigen Waidmannes, der erfolgreich die afrikanische Wildnis bezwingt. Findet dieses Objekt dann seinen Weg ins Museum, erfährt es eine Umdeutung, etwa als Ausgangsmaterial für naturkundliche oder kulturgeschichtliche Forschungen. Tatsächlich finden sich in vielen deutschen Museen größere Mengen solcher kolonialen Jagd-Trophäen, oft dürftig dokumentiert hinsichtlich der Erwerbungswege und bislang nur selten unter Darlegung des kolonialen Unrechtskontextes präsentiert.

Historisches Foto: Blick in ein Feldlager in Afrika, im Vordergrund auf dem Boden verschiedene Geweihe und Hörner, daneben kniet ein europäischer Jäger
Fremdes Land als Jagdgebiet: Hans Paasches Jagdtrophäen, erlegt in der Kolonie Deutsch-Ostafrika zwischen 1904 und 1906. Abb. aus Hans Paasche: Im Morgenlicht. Kriegs-, Jagd- und Reise-Erlebnisse in Ostafrika“ (1907), Seite 197.

Diese Zusammenhänge zu erforschen und daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten, ist das Thema des Projektes „Zwischen Ratlosigkeit, Triumph und Scham. Provenienzen und Trajektorien kolonialer Jagd“ an der Universität Kassel. Marion Hulverscheidt, Linda-Josephine Knop und Maximilian Preuss haben es sich zur Aufgabe gemacht, anhand beispielhafter Bestände die Geschichte einzelner Objekte zu klären. Ein Workshop, zu dem zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter aus Museen, Archiven, Vermittlung und Forschung an der Universität Kassel zusammenkamen, verdeutlichte die Komplexität der damit angesprochenen Fragestellungen: Von der Jagd-Praxis mit vielen Beteiligten über das Tier-Mensch-Verhältnis bis hin zu Sammlungspraktiken und Erinnerungskulturen.

Historisches Foto: Eine Gruppe von Menschen, darunter viele Kinder, umstehen einen Elefantenkadaver, der gerade zerlegt wird
Mitglieder einer Jagdgesellschaft beim Entfleischen eines Elefantenkadavers in Kamerun, zwischen 1909 und 1919. Foto von Carl W.H. Koch

Wegen des Mangels an schriftlichen Quellen zu Jagdtrophäen kommt den Schriften und dem Nachlass von Hans Paasche (1881–1920), der im Archiv der deutschen Jugendbewegung (Burg Ludwigstein, Witzenhausen) verwahrt wird, besondere Bedeutung zu. Das AdJb unterstützt mit seiner Expertise zu Paasche das Kasseler Projekt. Insbesondere die Schilderungen aus Paasches Lebensphase als Angehöriger der Kolonialtruppe in Deutsch-Ostafrika, 1904–1906, bieten viele detailreiche Darstellungen zur Großwildjagd auf dem Gebiet des heutigen Tansanias. Hier zeigt sich noch nicht der spätere, seine großbürgerlichen Prägungen reflektierende Kolonialkritiker Paasche, sondern der deutsche Offizier mit Privilegien, Befehlsgewalt und Befugnis zum Töten. Diese Perspektive mit ihren Belegen für Gewalt und koloniales Unrecht auch in die Zusammenarbeit mit Projektpartnern, etwa in Iringa (Tansania), einzubringen, ist ein weiteres Ziel des Projektes.

Susanne Rappe-Weber, Witzenhausen

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